Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Putla - Junge ohne Lachen

Putla - Junge ohne Lachen

Titel: Putla - Junge ohne Lachen
Autoren: Martin Frank
Vom Netzwerk:
Schnellkaffee, aus denen wir, ausser Putla, uns selbst bedienten. Putla ass stumm, was ich auf seinen Teller legte, bediente sich - obwohl wir ihn wiederholt aufforderten - trotzig nicht selbst, schenkte sich nicht selbst ein. Dass Bohu und Jürgen mich vor ihm fragten, wie die Nacht gewesen sei, ob er seine Sache recht gemacht habe, mit mir seine Gefühllosigkeit diskutierten, liess ihn kalt. Sicher verstand er, dass er mir gefiel. Jürgen riet mir ab, mich gefühlsmässig einzulassen, "er ist negativ, hundert Prozent pures schlechtes Karma; übel, böse, verdorben, kaputt, nie ein Lächeln, nie ein Danke, nur immer 'alle Scheisse', wir hätten ihn am liebsten umgebracht, so hat er uns beim Drehen genervt. Bohu hat ihm eine Geige geschenkt - er soll mal spielen für Dich, hat extra einen Hund aufs Set gebracht für ihn, meinst Du, Putla hat fertiggebracht zu sagen, Danke? Kein Wort!"
    Bohu befahl Putla, für mich zu spielen. Putla gehorchte mechanisch, holte im Wohnzimmer die Geige und begann ein ödes Zigeunerpotpourri zu spielen, was er im Film spielt, was man in ungarischen Restaurants nolens volens zu hören bekommt. Er spielte automatisch, schnell, fingerfertig; bösartig gefühllos improvisierte er ordinär beschleunigende Mazurkas, Rhapsodien, Polonaisen, Polkas, bis Bohuslav ihn stoppte. Ich fragte Putla, ob er auch etwas Klassisches spielen könne, er begann Kreislers Kadenz zu Beethovens Violinkonzert [1] - die ich Ton für Ton auswendig kannte, mein verstorbener Vater hatte Geige gespielt, gut, ich habe noch seine Geige in einem Schrank -- mit allen Menuhinschen Manierismen und dem bösen Ausrutscher der Aufnahme der Deutschen Grammophongesellschaft, und gerade da, beim Ausrutscher, war es, als hebe Putla für den Bruchteil einer Sekunde sein Visier, fixierte er mich mit einem blitzschnellen Wieselblick, "hast Du's gehört?" und fiedelte weiter mit steinerner Miene.
    Bohu und Jürgen, die nicht hörten, was gespielt wurde, nicht verstanden, wie witzig das gewesen war, sassen da, stolz, das böse Wunderkind entdeckt zu haben. Dann klingelte das Telephon, und Bohu erhielt offiziell die gute Nachricht, dass "Putla" der Preis der ausländischen Kritik zugesprochen worden war. Ich war erleichtert, denn in einigen Wochen würde ich über die Co-Finanzierung von Bohus nächstem Film mitzubeschliessen haben.
    Bohuslav schaltete den Fernseher ein, um zu sehen, ob sie in den Nachrichten seien, doch während die Nachrichten liefen, sagte Jürgen ein Wort, das Bohus Erfolg zu schmälern schien und zu einem Streit darüber führte, ob Jürgen Bohu den Preis neide, oder, ob Bohu Jürgens Beitrag zu Bohus Erfolg verkenne, Bohu rannte verletzt in ihr Schlafzimmer, die Türe zuknallend, Jürgen hinter ihm her, auch die Türe knallend, was Putla und mich allein vor dem Fernseher liess. Ich zapte durch die paar Kanäle, doch da war nur eine endlose Rede des slowakischen Präsidenten, in einer reich mit Fahnen und Gladiolen geschmückten Messehalle, in slowakisch, und die Landung des Papstes in Mexiko City, in ukrainisch.
    Ich sagte Putla, dass er grossartig gespielt hatte, dass ich den witzigen Ausrutscher bemerkt hatte,  doch mit jedem Wort, das ich sagte, schien ich in seiner Achtung zu sinken. Putla schnitt mir jeden Versuch, sich ihm verbal zu nähern, mit einem "was geht Dich der Scheiss an?" ab. Über seine Wünsche, Ziele, sein Leben im Waisenhaus brachte ich kein Wort aus ihm heraus. Dafür bot er mir in schlechtem Deutsch und mit den unanständigsten Ausdrücken an, mich auf drei oder vier Arten zu befriedigen, wobei er, plötzlich gesprächig, aufschnitt, mit sadistischen Details, was er aushalten könne, als wolle er mich reizen, ihn zu missbrauchen wie andere zuvor.
    Doch während er diese selbsterniedrigenden Obszönitäten von sich gab, ging soviel Traurigkeit und Verzweiflung von seiner Person aus, dass ich ihn, ohne zu denken, an mich zog und zu streicheln begann. Er machte sich an meinem Hosenschlitz zu schaffen, doch ich stoppte ihn. Sein Kopf lag auf meinem Schoss, und ich spielte mit seinem Millimeterbürstenschnitt, er war schön und gestört, begabt und blöd.
    Er erwiderte meine Küsse nicht, bot mir dafür seinen Körper mit um so verzweifelter Freigiebigkeit an. Ich wollte Sex von ihm, mit ihm, doch schien mir, dass ich eine bewusstlose Person liebte, einen gefesselten und geknebelten Körper missbrauchte.
    Ich begann sein billiges, dünnes, enges, kurzärmliges Hemd aufzuknöpfen, sofort
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher