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Puppenspiele

Puppenspiele

Titel: Puppenspiele
Autoren: Marina Heib
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war es besser für alle Beteiligten, wenn ich ihr den Säugling nicht wegnahm. Zumal es ja auch ganz offiziell und laut Gesetz ihr Baby war und nicht meins. Ich war mir sicher, dass das Kind bei ihr gut aufwachsen wird. Dass sie es weggibt, konnte ich nicht ahnen.«
    »Red nicht ständig von ›es‹ und dem ›Kind‹ oder dem ›Baby‹! Dein Homunkulus lebt. Ich bin hier! Ich habe einen Namen!«
    »Es tut mir leid, Niklas, es tut mir wirklich leid. Aber es ist noch nicht zu spät.« Clarissa blickte ihn flehend an.
    Niklas zog ein kleines Diktiergerät aus der Brusttasche seines Hemdes und drückte auf Play. Die Stimme einer Frau ertönte: »Niklas, hier ist Beatrix. Ich habe dir bei deinem Besuch letzte Woche nicht die Wahrheit gesagt. Du kannst nichts für all das, was mit dir geschehen ist. Ich will jetzt reinen Tisch machen. Morgen Abend kommt deine biologische Mutter zu mir. Sie heißt Clarissa Wedekind. Sie hat mir damals sehr viel Geld gezahlt, damit ich dich für sie austrage. Dass sie dich dann doch nicht wollte, als du geboren wurdest, war ein echtes Problem für mich. Deshalb habe ich dich zur Adoption freigegeben. Es ging nicht anders. Niklas, es tut mir alles so leid. Aber ich werde mit Frau Wedekind reden. Sie weiß nicht, was für ein hübscher, kluger, junger Mann aus dir geworden ist. Vielleicht können wir alles wiedergutmachen. Ich melde mich. Bis dann.«
    Niklas stoppte das Band. »Als Beatrix mir das auf meine Mailbox sprach, bin ich nach Hamm gefahren. Ich habe mich gegenüber ihrer Wohnung in ein Café gesetzt und auf dich gewartet. Du glaubst nicht, wie neugierig ich auf dich war. Meine Erzeugerin. Die Schöpferin der Menschmaschine! Und als du dann kamst und bei Kowalski geklingelt hast … Du warst so schön, so elegant! Ganz anders als diese miese Unterschichtenfamilie Schmitt in Gelsenkirchen, zu denen ich für sieben Jahre verdonnert wurde.«
    »Das wusste ich doch alles nicht«, versuchte Clarissa kleinlaut eine Rechtfertigung.
    »Weil es dich nicht interessiert hat! Jedenfalls sitze ich in dem Café und fange an zu träumen. Dass Beatrix dir von mir erzählt. Dass du dich freust. Dass du mich anrufst. Wir uns treffen. Du mich magst. Dass du mich in dein Leben aufnehmen willst. Und während ich noch so träume, segelt Beatrix durch die Luft und klatscht ein paar Meter vor mir auf den Asphalt. Die Botschaft war deutlich: Du wolltest nichts von mir wissen.« Niklas zeigte Clarissa den grobkörnigen Ausdruck eines Fotos von schlechter Qualität. Dennoch konnte man Clarissa erkennen. Sie stand halb verborgen hinter einem offenen Fenster. »Hab ich mit dem Handy aufgenommen. Gefällt es dir?«
    »Diese gefühlsduselige Kuh wollte mich zwingen, dich als meinen Sohn anzuerkennen. Sie wollte mit der Geschichte an die Presse gehen, falls ich ihr nicht helfe, unsere sogenannte Sünde wiedergutzumachen. Was hätte ich denn tun sollen?«
    »Na, schubsen. Ist schon klar.«
     
    Christian starrte angestrengt durch das Fernglas, während die anderen schweigend auf den Beamten warteten, der Kratz und die vier Frauen abholen sollte. In der Zwischenzeit waren schon mehrfach die Wolken vor dem vollen Mond gewichen und hatten ihm einen schemenhaften Blick in Clarissa Wedekinds Schlafzimmer gestattet. Er konnte Patricks Angaben nicht bestätigen. Immer wieder sah er nur zwei Personen in dem Zimmer. Dennoch stimmte irgendetwas nicht. Aber was?
     
    »Und? Willst du jetzt deinen Brutkasten rächen? Diese Kowalski hat nichts mit dir zu tun. Sie war nur eine gemietete Gebärmaschine!«, sagte Clarissa abfällig.
    »Keine Angst, Mutter, solche Sentimentalitäten liegen mir absolut fern.«
    »Was willst du dann? Warum hast du diese Mädchen umgebracht? Und warum Sarah?«
    Niklas erhob sich vom Bett und setzte sich Clarissa gegenüber auf einen Sessel. Entspannt lehnte er sich zurück und blickte sie an. Genau wie damals in Hamburg im »Riverside«-Hotel, als Clarissa ahnungslos mit ihm ins Bett gestiegen war. »Sarah war die einzige natürlich gezeugte Verwandte, die als Partnerin für mich infrage kam. Ich dachte, wir seien uns ähnlich genug, weil wir durch dich und deine Schwester gemeinsame Gene hatten. Ich dachte, wir seien unterschiedlich genug, dass ich das, was mir fehlt, von ihr lernen könnte. Welch ein Irrtum! Wir waren uns überhaupt nicht ähnlich. Sarah war ein dummes kleines Ding. Eine Enttäuschung. Ich wollte sie nicht töten, das ist einfach so passiert. Sie hat mich sehr
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