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Puppenfluch

Puppenfluch

Titel: Puppenfluch
Autoren: Kristina Ewa Christina; Sjögren Johansson
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Märzsonne sah sie blass und dünn aus. In den letzten Wochen war es ungewöhnlich warm gewesen und man wagte langsam, an einen frühen Frühling zu glauben. Auch Torsten hoffte, dass Frühling und Sommer bald kamen, nicht zuletzt wegen Siri. Er machte sich Sorgen um sie. So sehr, dass er sich sogar mit ihrer Mutter getroffen hatte, um über sie zu reden.
    Seit dieser Sache mit Aron und der ganzen Familie Wiker hatte Siri sich verändert. Sie kam noch immer auf den Flugplatz, aber etwas fehlte. Ihr Lachen. Früher war sie so fröhlich gewesen und immer für einen Schwatz zu haben. Jetzt war sie schweigsam geworden.
    »Ich färbe sie nicht mehr.«
    »Ach so ... Ja, sie passen jetzt besser zu deinen Augen«, versuchte er sie aufzuheitern. »Und zur Hautfarbe.«
    Siri zuckte mit den Schultern.
    Torsten wusste nicht, was er noch sagen sollte. Wie er sie hätte trösten sollen. Er selbst, ihre Mutter und ihr Stiefvater waren übereingekommen, ihr gemeinsam zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie jetzt zum Sommer hin anfangen konnte, ihren Flugschein zu machen. Damit sie etwas hatte, mit dem sie sich ablenken konnte. Das brauchte sie jetzt.
    Etwas anderes als die Gedanken an Aron.
    Aron. Wer hätte das ahnen können?
    Das letzte, was Torsten von der Familie Wiker gehört hatte, war, dass Martin und Aron nach Stockholm gezogen waren. Zumindest hatte ihr Haus zum Verkauf gestanden und jetzt wohnte dort irgendein Autohändler aus Jönköping. Elena war verschwunden. Niemand wusste, wo sie steckte, und vielleicht spielte das auch keine Rolle. Ihren Bruder hatte man trotzdem geschnappt. Torsten konnte weder verstehen noch verzeihen, was Elena und ihr Bruder getan hatten. Er verachtete sie für ihre Verbrechen und dafür, dass sie den Verein in ihre schmutzigen Geschäfte mit hineingezogen hatten.
    Und Siri? Siri war mitten hineingeschlittert. Hatteversucht, allen gegenüber loyal zu sein. Erst nach und nach hatte er begriffen, was sie durchgemacht haben musste. Anfangs war er sogar noch wütend auf sie gewesen, weil sie ihm nichts erzählt hatte. Jetzt war er insgeheim sogar ein wenig stolz auf den Anteil, den er an Irinas Rettung gehabt hatte, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch vollkommen ahnungslos gewesen war.
    Torsten wusste nicht, ob Siri überhaupt noch einmal mit Aron gesprochen hatte, bevor er mit seinem Vater weggezogen war. Einen Tag vor ihrem Umzug waren die beiden auf dem Flugplatz vorbeigekommen. Zwei vollkommen verlorene Menschen. Martin wollte sich für Elenas Verhalten entschuldigen und Aron hatte ihn vermutlich einfach nur begleitet. Er hatte sich still im Hintergrund gehalten bis zu dem Moment, als sie sich verabschiedeten. Erst da hatte er nach Siri gefragt. »Wie geht es Siri?« Aber Torsten hatte nicht recht gewusst, was er darauf antworten sollte.
    Eine fluffige Wolke zog über den hellblauen Himmel, löste sich auf und verschwand. Der Wind war warm. In ein paar Wochen würde Linda nach Hause kommen. In der Ferne hörte Siri das Brummen eines Flugzeugs. Sie starrte hoch in die Luft und entdeckte ganz weit oben einen winzigen Punkt.
    »Alles wird gut, Siri, bestimmt«, sagte Torsten und fuhr ihr unbeholfen über den borstigen, blonden Kopf, als wäre sie ein Kleinkind.
    Siri wich ihm nicht aus.
    Sie vermisste Aron – und sie hatte Angst, dass Elena zurückkommen und ihr eines dunklen Abends auflauern könnte. In der ersten Zeit hatte sie sich nicht mehr alleine vor die Tür getraut, aber nun ging es jeden Tag etwas besser. Sie dachte viel an Arons Verrat, aber auch dieser Schmerz ließ langsam nach. An manchen Tagen konnte sie ihn sogar verstehen – schließlich war Elena seine Mutter und die zwei hatten sich sehr nahgestanden. So wie sie selbst gezwungen worden war, eine Wahl zu treffen, bevor alles herausgekommen war, hatte er sich zwischen ihr und seiner Mutter entscheiden müssen. Siri war nicht mehr wütend auf ihn – sie versuchte stattdessen, nach vorne zu sehen. Sie hatte ja immer noch den Flugplatz und sie glaubte an das, was Torsten sagte.
    Sie musste daran glauben.
    »Ich weiß«, sagte sie kurz.
    Siri blinzelte und versuchte, das kleine Flugzeug zu erkennen. Sie wusste nicht, woher es kam oder wohin es unterwegs war, aber das war auch nicht wichtig. Es würde nicht auf diesem Flugplatz landen und es hatte keine russischen Mädchen an Bord.
    Und dieser Gedanke ließ die Sonne wieder heller leuchten.

EPILOG
    Irgendwo dort unter den Wolken wartete ihr neues Leben.
    Das Mädchen schaute aus
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