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Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche
Autoren: Bernd Scholze
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tot ... Sie ist nur 66 Jahre alt geworden und hat drei Männer verloren. Ihren Freund durch die Nazis. Ihren Mann durch die Militärregierung und schließlich mich. Ich war verschwunden. Die Nachbarn erzählten mir, dass sie und meine Schwester laufend zur Polizei gegangen sind und gefragt haben. Aber es gab keine Spur. Schließlich ist sie davon ausgegangen, dass ich auch tot bin ... Sie ist verbittert gestorben .«
    »Und was ist aus ihrer Schwester geworden ?«
    »Die ist nach dem Tod meiner Mutter in die Schweiz gegangen. Dort hatte sie geheiratet. Aber 2008 ist sie an Bauspeicheldrüsenkrebs verstorben. Kinder hat sie nie in die Welt gesetzt. Aus Angst, sie zu verlieren ...«
    »Und haben Sie einmal darüber nachgedacht, auszureisen ?«
    Paulino machte eine lange Pause.
    »Wissen Sie, meine Mutter ist hier in Bolivien begraben. Mein Vater ist irgendwo in Bolivien ermordet und wahrscheinlich in einem anonymen Massengrab beerdigt. Das sind meine einzigen Wurzeln. Ich kann hier nicht weg .«

    Jetzt, da Anja in dem Flugzeug nach Deutschland saß, gingen ihr die Worte von Paulino nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatten zum Schluss lange voreinander gesessen und sich angeschwiegen. Irgendwann erschien Maria, um Paulino zurückzufahren. Es war ein langer und stiller Abschied gewesen. Als die beiden gegangen waren, saß sie noch lange in der Küche. Es war dunkel geworden, als Maria wieder zurückkam. Aber Anja saß noch in der Küche ohne Licht.

    Nachdem Ferdinand Lochner tot war, hatte sie sich geschworen, nicht mehr weiter als Genealogin zu arbeiten. Nicht, dass sie Sorge hatte, noch einmal in so etwas hinein zu geraten. Die Wahrscheinlichkeit war gering. Aber sie spürte in sich eine Leere.
    Nachdem Paulino Esteban sich von ihr verabschiedet hatte, musste sie an seine letzten Worte denken. Es ging um die eigenen Wurzeln. Paulino hatte kein Vertrauen mehr in irgendeine Regierung und auch zu keiner Behörde. Er wollte nur noch irgendwo leben, wo er keine Repressalien zu fürchten hatte. Aber zweimal im Jahr fuhr er zum Grab seiner Mutter. Der einzigen Möglichkeit, seine Wurzeln wahrzunehmen. Er wollte nicht, dass seine Geschichte veröffentlicht wird. Aus Angst. Hugo Banzer sei auch zweimal auf der politischen Bühne erschienen. Er hatte Sorge, dass ihm seine Geschichte irgendwann einmal schaden würde.
    Anja kannte seine Geschichte. So wie sie andere Familiengeschichten kannte , die sie bearbeitet hat. Paulino Esteban Pinto Staller würde der letzte Vertreter seiner Familie sein. Und mit ihm würde seine Geschichte sowie die seiner Familie untergehen. Unaufgeschrieben. Unbekannt. Ungeschehen.
    Sie würde weiter arbeiten. Sie würde weiter als Genealogin arbeiten. Aber sie würde sich andere Schwerpunkte setzen.
    In Deutschland würde sie den Auftrag zu Ende bringen. Die Daten würde sie in einem Abschlussbericht zusammenstellen. Sollte tatsächlich der Wunsch der Firma bestehen, die Firmenchronik zu schreiben, würde sie auf jeden Fall ablehnen.

21. Epilog

Die Beisetzung von Ferdinand Lochner erfolgte auf Wunsch der Familie in aller Stille. Das Grab wurde in grau-schwarzem Granit eingefasst. Der vordere Teil war mit weißem Quarzschotter aufgefüllt. Im mittleren Teil zog sich ein geschwungener Pfad dem gleichen Schotter zum gegenüberliegenden Ende aus zwei grau-schwarzen Granitplatten, die hinten zusammenstießen und dort eine homogene Granitfläche bildeten. Diese Platten waren derart geschwungen gesägt, dass sie im vorderen Teil den Weg weiterführten, bis zu der Grableuchte, die auf der zusammenhängenden Granitfläche stand. Der Lebensweg, der sich in Richtung Lebenslicht durchschlängelt. Neben dem weißen Lebensweg in der Mitte waren links und rechts zwei Bonsai-Kiefern gesetzt. Auf der hinteren rechten Granitfläche ließ Sandra eine kleine Gedenkplatte in Erinnerung an Haydee aufstellen.
    Nach dem Tod von Ferdinand Lochner zog sich Scarab Pharma Inc. aus Verkaufsgesprächen zurück. Damit verloren die börsennotierten Anteile rasant an Wert. Es erfolgte die Übernahme durch Maladouleur Medicaments ohne großes Aufsehen. In der Folge wurden die Forschungen an dem Medikament gegen Dengue-Fieber endgültig eingestellt. Die Forschungsabteilung des Mutterkonzerns stellte in einem offiziellen Kommunikee fest, dass eigene Forschungsvorhaben vielversprechender seien.
    Anja besuchte Ariana, die immer noch an den psychischen Folgen der Misshandlung litt. Ariana erzählte, dass sie damals spontan bei ihr
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