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Public Eye (Public Eye Trilogie)

Public Eye (Public Eye Trilogie)

Titel: Public Eye (Public Eye Trilogie)
Autoren: Hans-Peter Merz
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willkommen" - sie sagt das wie
eine Reiseleiterin, die eine Gruppe Hotelg ä ste empf ä ngt, sehr distanziert, k ü hl. Aber nicht unfreundlich. "Kommen Sie, es geht
gleich los, wir m ü ssen uns beeilen!" Sie schiebt mich durch die wei ß gestrichene Fl ü gelt ü r in den Salon. Es ist dort heller, aber nicht hell.
Ich sehe vielleicht drei ß ig oder vierzig Menschen, die auf dem Boden kauern und
ihre Blicke auf eine kleine B ü hne im
hinteren Teil des Salons richten. Rechts und links der B ü hne befinden sich Lampen. Daneben steht jeweils ein
merkw ü rdiger Bock, ein Gestell. Auf jedem Gestell sitzt ein
Mensch. Hochaufgerichtet. H ä lt sich
an einer Stange fest, die vor ihm im rechten Winkel zur Hauptachse des Gestells
etwa schulterbreit verl ä uft. Und die beiden trampeln auf etwas herum, das
unter ihnen ist und das ich nicht richtig sehen kann. "Arsi! Hinweise auf
Situation!" Da kommt nichts. Das Arsi ist offensichtlich aktiv, es
recherchiert in der Monobib, macht Bildabgleiche, ist sichtlich bem ü ht. Passiert aber nichts. Ich sehe die zwei Leute, die
tief atmen und denen der Schwei ß auf
der Stirn steht. Und die trampeln auf irgendetwas herum. "Ergometer -
Baujahr 1993." Das Arsi ist f ü ndig geworden. Eine alte Maschine, die zu Zwecken der K ö rperert ü chtigung eingesetzt wurde, damals. Aha. Ist ja nett. Aber warum machen
die das? Nun ja, nicht mein Thema. Interessiert mich aber doch. Aus den
Ergometern kommen zwei Kabel heraus. Diese f ü hren zu je einer der beiden Lampen. "Die machen Strom!" rufe
ich halblaut aus, v ö llig ü berrascht.
Ein paar der Schemen drehen sich zu mir um, f ü hlen sich offenkundig gest ö rt. Ich bin wieder ruhig und sehe mir die Szenerie an.
Zwei Menschen trampeln im Schwei ß e ihres Angesichts auf diesen B ö cken und treiben damit wohl einen kleinen Generator an.  Die Jungs
machen hier das Licht! Gibt ‘ s doch
gar nicht. Was soll das denn?
     
    Meine Ü berlegungen werden abgebrochen durch ein Ger ä usch. Erst ganz leise, dann zunehmend lauter. Das Ger ä usch kommt von den blaugrauen Schemen und ist eine Art
Gesang. Etwa so 'Mhhhhhhaaaa mmhhhaaaaaa, aaaaaaaahhhhhma' sehr gleichf ö rmig, aber gleichm äß ig lauter werdend.   Das ist bald richtig vollt ö nend. Auch zunehmend aggressiver, fordernd, fast w ü tend.
     
    Der
Gesang bricht schlagartig ab. Alle Schemen verstummen gleichzeitig. Dann kommt
er herein. Nein. Er tritt auf. Er erscheint. Er ist da und strahlt eine enorme
Pr ä senz aus. Ein gro ß er Mann. Durchaus beleibt. Die H ä nde vor sich hertragend, als ob er einen schweren Gegenstand darauf
balancieren m ü sste. Das Haupthaar lang und str ä hnig. Grau, schwarz, wei ß . Der Bart lang, str ä hnig, grau. Eine Nase wie ein Schriftzeichen. Gro ß e, dunkle Augen unter buschigen Augenbrauen. Das Arsi
spiegelte st ä ndig Bilder der christlichen Kulturgeschichte ein,
Heilige, Propheten, M ä rtyrer. Konnte den Mann aber nicht identifizieren, der
nun mit einem kleinen H ü pfer  auf die B ü hne kam, der in komischem Gegensatz zu seiner sonstigen w ü rdevollen Erscheinung stand.
     
    Er
stand da, als h ä tte er gerade die W ü ste Gobi durchwandert und br ä uchte noch einen Moment Pause, bevor er sprechen k ö nnte. Er hielt die H ä nde vor sich, die Handfl ä chen nach oben ge ö ffnet und er rang sichtlich mit sich. Und der Welt. Wie ich gleich h ö rte.
     
    "Schwestern,
Br ü der," er br ü llte es wie unter Schmerzen. "H ö ret die Worte!" Das war ein Befehl. Die Graublauen richteten sich
aus auf ihren Propheten vorne auf der B ü hne. Sie hockten auf ihren zusammengeklappten Beinen und reckten ihre K ö pfe ganz hoch, machten einen geraden R ü cken und legten alle ganz artig die Handfl ä chen auf die Oberschenkel. Das dauerte ein paar
Sekunden und ging mit Geraschel und Geschiebe einher. Dann war absolute Ruhe im
Salon. Ich h ö rte eigentlich nur meinen Herzschlag im Innenohr.
"Schwestern, Br ü der, h ö ret die
Worte!" rief der B ä rtige erneut und es klang drohend. "Die Welt steht
am Abgrund. Die Menschen haben sich abgewandt vom Ursprung. Der Herr wird uns
alle vernichten." Er sagt das mit lauter Stimme, ganz fest und mit einer
Mischung aus Bedauern und Genugtuung. Definitiv ohne kritische Distanz oder dem
leisesten Zweifel. Die Schemen, bis dahin mucksm ä usestill, stie ß en dunkle Laute aus 'Uhhh' und 'B ä hhh', Frauen kreischten. "Nur die B üß er werden verschont, nur die B üß er." Die Gemeinde schien das alles gut
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