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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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zweite Pubertät kann so betrachtet werden – bringt neue Entwicklungsaufgaben mit sich, die herausfordern, denen es sich zu stellen gilt. Angelehnt an Überlegungen von Anna-Maria Hirsch, lassen sich vierzentrale Entwicklungsaufgaben benennen, die die Eltern in der zweiten Pubertät zu bewältigen haben:
die körperlichen Veränderungen zu akzeptieren und für die körperliche Gesundheit zu sorgen;
die Partnerschaft zwischen Mann und Frau neu zu bestimmen;
Perspektiven für die kommenden Jahre zu entwickeln – nach dem Motto: Bewährtes fortführen – Neues beginnen;
sich von den Kindern zu lösen bedeutet, die Eltern-Kind-Beziehung umzugestalten.

ELTERN ERLEBEN IHRE ZWEITE PUBERTÄT
    «Mein Mann», berichtet Mechthild Franz, die in diesem Buch schon einmal zu Wort kam, «tut immer noch so, als ob er dreißig sei. Er schuftet mehr, als er müsste, er beklagt sich über seine jüngeren Kollegen. Er will ihnen zeigen, dass er’s noch mit ihnen aufnehmen kann. Aber es geht eben nicht. Pausen oder Urlaub gönnt er sich nicht. Stattdessen stichelt er über seine jüngeren Kollegen, die ständig ausruhen.» Sie macht eine Pause: «Aber ich bin ähnlich. Ich rackere und rackere, muss es mir beweisen. Es muss alles sofort erledigt werden. Wenn ich meine Tochter sehe, wie langsam die was macht, der kannst du im Gehen die Schuhe besohlen, dann kommt es mir hoch.» Sie stutzt: «Aber ob das nun richtig ist, wie ich es mache – langsam kommen mir da Zweifel.»
    «Mein Mann», so Roswitha Beier, «misst sich ständig mit seinen Söhnen: Im Tischtennis gewinnt er nur noch knapp, beim Computer sind ihm die beiden haushoch überlegen. Wenn wir mal wandern, dann gibt er das Tempo vor, aber nachher sitzt er völlig ausgepumpt da. Er will es nicht wahrhaben, dass er einfach langsamer geworden ist, mehr Zeit zum Auftanken braucht.»
    «Ich hab jahrelang morgens vor dem Spiegel gestanden», so Georg Steiner, «hab geguckt, ob meine Haare weniger werden. Und als die Schläfen grau wurden, hab ich sie gefärbt. Und wehe, einer machte sich über meinen Haarausfall lustig, dann konnte ich fuchsteufelswild werden.» Er lacht. «Es hat jahrelang gedauert, bis ich mich wieder leiden mochte. Davor habe ich mich verhalten wie ein Teenager, jeden Morgen vor dem Spiegel, um mich zu prüfen.»
     
    Frauen kommen in die Wechseljahre, die Hitzewallungen, Schweiß, Herzrasen und körperliches Unwohlsein mit sich bringen. Bei mancher stellt sich zudem das Gefühl ein, das eine Mutter so auf den Punkt brachte: «Nun bin ich nutzlos, ich kann niemals mehr Kinder bekommen.» – «Das kann», erwiderte eine andere Frau, «doch auch schön sein. Nämlich, nicht aufpassen zu müssen, nicht mehr zu verhüten.»
    Auch beim Mann sind wechseljahrähnliche Beschwerden feststellbar: Stimmungsschwankungen, eine leichte, nervöse Reizbarkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder aufkommende Hitze. Haare fallen aus oder werden grau. Bei Männern wie bei Frauen erschlafft die Haut, sie wird faltig, die Sehkraft lässt nach, sodass manchmal eine Brille unerlässlich wird. Viele scheuen davor zurück, sie zu tragen, weil das ein Zeichen für zunehmendes Alter ist.
     
    Gerade Männer sind vor Ausbruchsversuchen in der zweiten Pubertät nicht gefeit – insbesondere dann, wenn sie sich über Sexualität definiert haben. Gemeinsam mit dem Partner eine auch von Sexualität durchdrungene liebevolle Beziehung zu erhalten stellt eine vordringliche Aufgabe dar. Eltern, die diesen Bereich ausklammern, leben ihren Kindern ein problematisches Modell vor: «Sexualität gehört nicht mehr zu uns.» Eltern, die ihre Sexualität verdrängen, halten Heranwachsenden, die sich in der Sexualität ausprobieren, ständig einen Spiegel vor. Die Auseinandersetzungen um dieses Thema haben eben auch damit zu tun, dass sie Verdrängtes wachrütteln.
    Heranwachsende fühlen, die Partnerschaft ihrer Eltern sei eine Zweckgemeinschaft, wenn sie bei ihnen keine Zärtlichkeit oder liebevolle Umarmungen beobachten. Dann fällt es ihnen wesentlich schwerer, diese Eltern zurückzulassen, vermitteln sie ihnen doch das Gefühl, ohne Kinder keinen Lebensinhalt mehr zu haben.
    Viele Väter und Mütter sind bei der Kindererziehung völlig in ihrer Rolle aufgegangen, haben sich nur in der Elternschaft wahrgenommen, so als gebe es kein Leben jenseits des Vater- und Mutterseins. Manchmal beobachte ich gar, dass Paare sich nicht mehr mit ihren Vornamen ansprechen – immer häufiger schleicht sich ein, dass
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