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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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die Landschaft zu erkunden – diese Aufgabe kann ein Autor den Eltern und den Heranwachsenden nicht abnehmen. Und vielleicht klappt etwas nicht auf Anhieb, weil man den Wald vor lauter Bäumen, sprich: die einfache Lösung vor lauter Problemen, nicht sieht.
    Das Lösen von Problemen hat viel mit Versuch und Irrtum zu tun. Was heute gültig war, kann morgen schon nicht mehr stimmen. Aber das Gefühl, schon einmal eine Lösung gefunden zu haben, macht vielleicht Mut, sich weiteren Herausforderungen zu stellen.
    Wenn Eltern und Pubertierende gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, um die Tür zur Zwischenwelt der Pubertät zu öffnen, kann das aufregend sein. Dabei ist es egal, welche Lösung man findet. Die Heranwachsenden sollten am Etappenende das Gefühl haben, gestärkt mit den guten Wünschen der Eltern den ganz eigenen Weg zu gehen. Eltern sollten sagen können: Ich nehme dich so, wie du bist! Ziehe aus und meistere dein Leben! Wenn du zurückkommst, bist du als gerngesehener Gast willkommen!

TEIL I
NICHT NUR DIE KINDER KOMMEN IN DIE PUBERTÄT   …
    «Wenn ich mir überlege», so Marga Sommer, «dass ich nun 51 bin, der letzte Sohn ist bald aus dem Haus, dann überkommt einen schon ein mulmiges Gefühl. Das tut doch weh. Irgendwie hast du als Mutter ausgedient.»
    Irene Neubert nickt: «Ich hab zwar einen Beruf. Aber das Haus wird leer sein, kein Leben mehr drin. Ich glaub, manchmal werde ich mich nach dem Stress mit meinen drei Kindern zurücksehnen. Aber man muss ja auch was tun, nur sitzen bleiben und traurig sein – das hilft ja keinem.»
    Mechthild Franz lacht: «Wir gehören ja nicht zum alten Eisen, obgleich wir nicht mehr die Frischesten sind. Aber ich bin jetzt 52, da hab ich noch ’ne lange Zeit vor mir. Und ich fühl mich auch nicht alt, obgleich die Falten schon stärker werden.»
    Wenn Eltern über die Pubertät ihrer Kinder, über ihren möglichen Auszug oder die bevorstehende Trennung reden, wird so manchem «schwindelig», wie es ein Vater ausgedrückt hat. Die Pubertät der eigenen Kinder zu beobachten und zu begleiten heißt, in einen Spiegel zu schauen: Eltern begegnen dort einerseits der eigenen Pubertät mit ihren Glücks- und Trauermomenten, mit erfüllten und misslungenen Lebensplänen. Andererseits erleben sie, wie sich körperliche Veränderungen nicht allein beim Heranwachsenden zeigen, sondern zugleich am eigenen Körper sichtbar werden. So, wie die körperlichen Veränderungen den Heranwachsenden herausfordern, ein neues Selbstverständnis zu entwickeln oder neue Beziehungen, z.   B. zu Gleichaltrigen, einzugehen, so bringen die körperlichen Veränderungen bei den Eltern Aufgaben mit sich, für die vor ihnen liegenden Lebensjahre eine neue Perspektive zu entwickeln.
    Wenn auch Eltern in einem vermeintlich festen Rahmen leben, müssen sie ebendiesen Rahmen nun verändern, wollen sie nicht unbeweglich werden. Sonst drohen Stillstand und Leere. Die Entwicklung, die Eltern während der Krise zur Lebensmitte, populär und manchmal arg oberflächlich Midlife-Crisis benannt, durchleben, weist Ähnlichkeiten mit der ersten Pubertät auf. Man kann diese Phase, die die Eltern durchlaufen, auch als
zweite Pubertät
bezeichnen.
    Auch wenn es parallele Entwicklungsprozesse gibt, darf man die gravierenden Unterschiede nicht unterschlagen: Während der Heranwachsende auf dem Weg ins Leben ist, werden Eltern mit der Endlichkeit des Seins konfrontiert. Man mag dies verdrängen, aber dann stößt man doch schmerzlich an die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit. Der Blick vieler Eltern richtet sich nun zunehmend nach innen, um – wie es die Psychotherapeutin Anna-Maria Hirsch nennt – «die inneren geistig-psychischen Wachstumsreserven» aufzuspüren und auszuleben.
    Während in früheren Generationen die zweite Pubertät nicht selten das Altenteil, das Abgeschobenwerden, bedeutete, haben heutige Eltern, deren Kinder gerade die Pubertät durchleben, noch Jahre und nicht selten ein Drittel des Lebens vor sich. Wer für diese Zeit den Gesichtspunkt körperlicher Leistungsfähigkeit überbewertet, wird schnell an Leistungsgrenzen stoßen, sie in Verkennung der Tatsachen überschreiten, krank werden oder sich als defizitär bzw. leer vorkommen. Wer diese Zeit nur perspektivlos als Auslauf des Lebens deutet, dessen Entwicklung wird stagnieren. Die sozialpsychologische Altersforschung hat immer wieder auf eine lebenslange Entwicklung des Menschen hingewiesen. Jeder Reifeabschnitt – und die
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