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Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie

Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie

Titel: Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
Autoren: Volker Kitz Manuel Tusch
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haben.
    Ein Schema hilft uns aber nicht nur, eine bereits bekannte Situation wiederzuerkennen, wenn sie sich wiederholt. Wir nutzen Schemata auch, um fehlende Informationen zu ergänzen. So füllen wir zum Beispiel Gedächtnislücken mit Details auf, die dem Schema entsprechen. Deshalb sind so viele Zeugenaussagen vor Gericht unzuverlässig. Geradezu legendär ist bei Verkehrsunfällen der sogenannte »Knallzeuge«, der sagt: »Ich habe hinter mir einen Knall gehört. Da hab ich mich umgedreht und gesehen, wie das rote Auto auf das blaue gefahren ist.« Natürlich kann niemand den Unfall gesehen haben, der sich erst nach dem Knall umgedreht hat. Der Knallzeuge ist sich aber absolut sicher, Unfallzeuge gewesen zu sein. Was geht hier vor? Sobald wir eine Unfallsituation sehen, bei der zwei Autos aufeinandergeprallt sind (nachdem sich der Unfall also bereits ereignet hat), ruft dies in uns ein Schema hervor, wie sich der Unfall ereignet haben könnte. Das Schema ergänzt in unserer Erinnerung die fehlende Information.
    Auch mehrdeutige Informationen ordnen wir mithilfe von Schemata ein – so wie in dem Beispiel am Anfang.
    Doch welches Schema nehmen wir, wenn mehrere passen? In der Regel dasjenige, das am leichtesten zugänglich ist, weil es bei uns gerade noch vor Kurzem aktiv war. Deshalb vermuten wir nach einem Fernsehkrimi hinter jedem Knarren in der Wohnung einen Einbrecher – und schließen beim Stöhnen der Nachbarin auf sexuelle Aktivität, wenn wir uns selbst gerade mit Sex beschäftigt haben.
    So funktioniert übrigens auch die Psychologie des Humors: Ein Comedian bringt eine Aussage oder eine Situation mit einem Schema in Verbindung, das zwar in unserem Kopf existiert, aber etwas weiter hinten abgelegt ist. Das Publikum denkt zunächst in dem nahe liegenden Schema (zum Beispiel Stöhnen = Sex) und wird dann von einer auch möglichen, aber schwerer zugänglichen, ganz anderen Deutung (Stöhnen = Nebenkostenabrechnung) überrascht.
    Die Aktivierung eines Schemas ist als sogenanntes »Priming« bekannt. Priming ist der Prozess, der ein Schema leichter zugänglich macht. Ein klassisches Experiment hierzu stammt bereits aus den 1970ern: Man legt Probanden die Beschreibung einer Person namens »Donald« vor. Diese Beschreibung enthält vage Aussagen wie zum Beispiel: »Jemand klopfte, aber Donald ließ ihn nicht herein.« Vorher sagt man den Probanden, sie sollten sich bestimmte Worte einprägen, weil es sich auch noch um einen Merktest handele. Der einen Gruppe zeigt man vorher Worte wie »unternehmungslustig, selbstbewusst«, der anderen Worte wie »eingebildet, unnahbar«. Hinterher sollen alle Probanden Donald entweder negativ oder positiv beurteilen. Obwohl beide Gruppen denselben Text über Donald gelesen haben, beurteilt ihn die Gruppe, die sich zuvor positive Begriffe gemerkt hatte, auch positiv – die andere dagegen negativ.
    Ein geläufigeres Beispiel aus dem Alltag hat vielleicht jemand schon mit Ihnen durchgeführt. In schneller Folge stellt man Ihnen mehrere Fragen:
    Welche Farbe hat Schnee? – Weiß.
    Wie sehen Wolken aus? – Weiß.
    Welche Farbe hat die Hauswand gegenüber? – Weiß!
    Fragt man nun: Was trinkt die Kuh? – so antworten tatsächlich die meisten Menschen: Milch!
    Das Fragen primt, aktiviert das Schema »Weiß«, und aus diesem Schema heraus liefert unser Gehirn auch dann eine weiße Flüssigkeit, wenn wir eigentlich »Wasser« antworten sollten.
    Das Interessante daran: Das Priming funktioniert sogar dann, wenn Menschen die Worte gar nicht bewusst wahrnehmen. Bittet man zum Beispiel in dem eben erwähnten Experiment die Probanden nicht darum, sich Worte vorher einzuprägen, sondern projiziert man diese Worte vor ihren Augen so schnell auf eine Leinwand, dass sie sie gar nicht bewusst entziffern können, so ändert das nichts am Ergebnis des Experiments.
    Priming ist also eine hervorragende Möglichkeit, uns selbst oder andere in eine bestimmte Grundhaltung zu bringen. Möchten Sie zum Beispiel Ihr Verhältnis zu einem nervigen Kollegen verbessern, so prägen Sie sich einfach vor der Arbeit Worte ein wie: »angenehm, unterhaltsam, interessant, höflich«. Soll der Kollege Sie wiederum sympathischer finden, brauchen Sie ihm solche Worte nur unterzujubeln, zum Beispiel in einem erfundenen Briefentwurf, den Sie ihn Korrektur lesen lassen.
    Studien haben gezeigt: Probanden verhalten sich bei einem Spiel tatsächlich kooperativer, wenn sie vorher mit Worten wie »rücksichtsvoll« oder
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