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Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie

Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie

Titel: Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
Autoren: Volker Kitz Manuel Tusch
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gibt unzählige Möglichkeiten, was von außen dazwischengekommen sein könnte. Trotzdem sind wir ziemlich sicher, dass die Verspätung an ihr liegt.
    Das Verrückte: Selbst wenn wir wissen , dass jemand ein bestimmtes Geschehen gar nicht beeinflussen konnte, neigen wir trotzdem noch dazu, es ihm ursächlich zuzuschreiben. In einem Experiment lässt man zwei Versuchsgruppen einem Redner zuhören, der eine klare Position zu einem bestimmten Thema äußert. Hinterher sagt man der ersten Versuchsgruppe, der Redner habe sich die Rede selbst ausgedacht. Der zweiten Gruppe sagt man, der Redner habe seine Position von außen zugeteilt bekommen. Dann befragt man alle Zuhörer, wie sehr die Rede ihrer Meinung nach die eigene Ansicht des Redners wiedergab. Natürlich glaubt die Mehrheit der ersten Gruppe, der Redner habe seine eigenen Positionen vorgetragen – er hat sie sich schließlich selbst ausgedacht. Aber: Auch in der zweiten Gruppe geht die Mehrheit davon aus, der Redner habe aus Überzeugung gesprochen – obwohl allen gesagt wurde, dass er den Inhalt seiner Rede gar nicht selbst gewählt hat.
    Der »fundamentale Attributionsfehler« findet sich vorwiegend in westlichen Kulturen. Die westlichen Kulturen sind individualistisch geprägt; hier haben wir ein unabhängiges, selbstbestimmtes Menschenbild (ein sogenanntes »independentes Verständnis des Selbst«). In östlichen Kulturen hingegen neigen die Menschen eher dazu, sich selbst und andere als Teil einer Gemeinschaft zu sehen, in der alle voneinander abhängig sind – ein sogenanntes »interdependentes Verständnis des Selbst«. Deshalb nehmen etwa Menschen in Japan die Geschehnisse eher als situationsbedingt wahr und suchen die Ursachen weniger in einzelnen Personen. In Japan hätte eine Jubilarin in der oben beschriebenen Situation daher mit größerer Wahrscheinlichkeit die zweite Antwort gewählt.
    Der »fundamentale Attributionsfehler« führt in unseren Breiten jeden Tag zu vielen Missverständnissen und Ungerechtigkeiten, zu Ärger und Streit. Achten Sie also einmal darauf, ob Sie sich nicht manchmal auch dabei ertappen, einer Person vorschnell die Schuld an etwas zu geben, obwohl vielleicht auch die äußeren Umstände verantwortlich sein könnten. Wenn wir lernen, unseren Hang zur internalen Attribution kritisch zu hinterfragen (»Könnte vielleicht irgendein äußerer Umstand das Verhalten bewirkt haben?«), können wir uns Ungerechtigkeiten und Streit oft ersparen.
    Ross, L. (1977): »The intuitive psychologist and his shortcomings: Distortions in the attribution process.« In: Berkowitz, L. (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology. New York: Academic Press

Wie zum Stöhnen die Lust kommt – oder der Schmerz

    Das »Priming« aus der Gedächtnisforschung kann Ihren Horizont erweitern
    Freitagabend, Sie und Ihr Schatz sitzen zu zweit auf dem Sofa vor dem Fernseher. Da das Programm gerade seine Längen hat, beschäftigen Sie sich etwas miteinander – und zwar ganz körperlich.
    Durch die Wand dringt plötzlich ein lautes Aufstöhnen Ihrer 30-jährigen Nachbarin. Was denken Sie?
    ❏ So eine Arthrose muss wirklich schlimm sein. Und das schon in so einem jungen Alter.
    ❏ Ist die Nebenkostenabrechnung etwa schon gekommen?
    ❏ Kann die beim Sex nicht leiser sein?
    Den meisten Menschen kommt in dieser Situation zuerst der dritte Gedanke in den Sinn. Wir denken, die Nachbarin treibt’s gerade ziemlich bunt. Dabei würden zum Geräusch alle drei Möglichkeiten passen – und noch viele andere mehr. Warum lautet unser Urteil: Sex?
    Wir verwenden hier ein sogenanntes »Schema«. Ein Schema können wir am besten mit der schon sprichwörtlichen »Schublade« beschreiben, in die wir Dinge stecken. Wir greifen auf ein bestimmtes generelles Wissen über eine Situation zurück, das wir uns im Lauf unseres Lebens angeeignet haben. Ein Schema hilft uns, uns schnell in Situationen zurechtzufinden, ohne sie jedes Mal wieder neu »lernen« zu müssen.
    Haben wir zum Beispiel einen Apfel auf dem Teller liegen, so ist es ja nicht völlig selbst erklärend, wie wir damit umgehen sollen. Denken Sie nur daran, wie ratlos Sie schauen können, wenn Ihnen jemand eine exotische Frucht zeigt: Kann man die essen? Wie kann man sie essen? Mit Schale oder ohne? Wie schält man sie, wie schneidet man sie? Befindet sich innen ein Kern, auf den man achten muss? Beim Apfel hingegen rufen wir einfach das Schema »Apfel essen« ab – und wissen genau, was wir zu tun
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