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Propaganda

Propaganda

Titel: Propaganda
Autoren: Edward Bernays
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Wohltätigkeitsorganisationen, die zwanzig bedeutendsten Kino- und Theaterproduzenten, die hundert anerkannten Führungsfiguren der Modebranche, die Präsidenten unserer Colleges und Universitäten sowie die prominenten Mitglieder ihrer Fakultäten, die mächtigsten Finanziers der Wall Street, die bekanntesten Sportler und so weiter. Mehrere Tausend Personen würden auf eine solche Liste gehören. Aber bekannterweise werden viele auf dieser Liste der Einflussreichen ihrerseits gelenkt – manchmal von Leuten, deren Namen so gut wie niemand kennt. So mancher Kongressabgeordnete folgt bei der Formulierung seines Wahlprogramms den Anregungen eines Distrikt-Vorsitzenden, von dem außerhalb der politischen Maschinerie kaum jemand Notiz nimmt. Eloquente Priester haben womöglich großen Einfluss auf ihre Gemeinde, übernehmen ihre Lehren jedoch selber von einer höheren kirchlichen Autorität. Die Präsidenten der lokalen Handelskammern bündeln die Ansichten der Geschäftsleute des Kammerbezirks und thematisieren sie öffentlich. Doch deren Meinungen sind ihrerseits von landesweiten Autoritäten geprägt worden. Vordergründig wird ein bestimmter Präsidentschaftskandidat auf die Wahlplakate gehievt, weil er angeblich »in der Bevölkerung eine überwältigende Unterstützung genießt«. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Entscheidung für seine Nominierung letztlich von einem halben Dutzend Männern am grünen Tisch getroffen worden sein kann.
    Der Einfluss der unsichtbaren Drahtzieher wächst manchmal ins Unermessliche. So wurde die Macht des unsichtbaren Kabinetts, das in einem kleinen, grünen Haus in Washington am Poker-Tisch Rat hielt, zur nationalen Legende. Es gab eine Phase, in der die wichtigsten Grundzüge der Regierungspolitik von einem einzigen Mann, dem republikanischen Senator Mark Hanna, bestimmt wurden. Oder ein Ku-Klux-Clan-Agitator wie Simmons kann es ein paar Jahre lang schaffen, Millionen von Menschen auf eine Politik der Intoleranz und Gewalt einzuschwören.
    Solche Figuren repräsentieren in typischer Weise, was sich die Öffentlichkeit unter dem Begriff »unsichtbare Regierung« vorstellt. Selten denken wir daran, dass es auch auf anderen Gebieten graue Eminenzen gibt, die genauso große Macht haben wie die genannten Politiker. Die prominente Tänzerin Irene Castle propagiert die Kurzhaarfrisur für Frauen, und neunzig Prozent aller modebewussten Frauen folgen ihr. Pariser Modezaren erklären Röcke für modisch, die so kurz sind, dass noch vor zwanzig Jahren jede Frau dafür von der New Yorker Polizei verhaftet und ins Gefängnis geworfen worden wäre – und die gesamte, Hunderte Millionen Dollar schwere Damenbekleidungsindustrie muss sich ihrem Diktat beugen. Das Schicksal von Millionen wird von unsichtbarer Hand gelenkt. Wie sehr raffinierte Drahtzieher hinter den Kulissen Worte und Taten der wichtigsten Personen des öffentlichen Lebens diktieren, wird allgemein jedoch kaum wahrgenommen.
    Noch etwas Wichtigeres wird weithin übersehen: das Ausmaß, in dem unsere eigenen Gedanken und Gewohnheiten von Autoritäten manipuliert werden.
    So werden wir in manchen Bereichen des täglichen Lebens, in denen wir scheinbar aus freiem Willen handeln, unbemerkt von mächtigen Kräften gesteuert. Ein Mann, der sich einen Anzug kauft, glaubt, er wähle nach seinem Geschmack und seiner Persönlichkeit das Kleidungsstück aus, das er bevorzugt. In Wahrheit folgt er vielleicht den Vorgaben eines anonymen Herrenschneiders aus London. Dieser Herrenschneider gehört zu einem Mode-Establishment unter der Führung von modebewussten Gentlemen und dem britischen Adel. Er präsentiert dem Adligen und anderen Herren ein blaues Tuch statt eines grauen, zwei Reversknöpfe statt drei, die Ärmel vielleicht ein paar Zentimeter schmäler geschnitten als voriges Jahr. Der prominente Kunde akzeptiert die Vorschläge.
    Aber welchen Einfluss hat dies auf John Smith aus Topeka in Kansas? Nun ist es so, dass der englische Herrenschneider einen Vertrag hat mit einem großen amerikanischen Unternehmen, das Herrenanzüge herstellt. Er schickt sofort die Schnitte der Anzüge, die die wichtigen Kunden in London ausgewählt haben, dorthin. Sobald das Unternehmen die Muster mit Angaben zu Farben, Stoffgewicht und Webart erhalten hat, bestellt es bei einem Tuchmacher Stoffe im Wert von mehreren Hunderttausend Dollar. Die Anzüge werden nach den Vorgaben geschneidert und als neueste Londoner Mode beworben. Die modebewusste Klasse in New
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