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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Taxifahrers haben wir bereits protokolliert.« Er erinnerte sich auch an dessen variierte Berlin-Werbung: Be Berlin. Be in therapy. Be in the capital of losers.
    »Allerdings hat er das, was ich gesehen habe, nicht gesehen«, fuhr Johannes Otto fort. »Nämlich die Frau auf der anderen Straßenseite, wo sich dasGelände des Urban-Krankenhauses befindet.«
    »Und was war mit dieser Frau?«, fragte Schneeganß.
    »Die hielt einen kleinen Benzinkanister in derHand.«
    »Das ist ja interessant!«, rief Grätz. »Und – können Sie die Frau beschreiben?«
    »Nicht nur das.« Wieder kicherte Johannes Otto etwas debil, was ihm einen kleinen Schlag seiner Frau auf den Hinterkopf einbrachte. Er nahm es gelassen hin, kam jedoch nicht umhin, den 19. Psalm zu zitieren: »Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Fehler!«
    »Was ist denn nun mit dieser Frau?«, wollteSchneeganß wissen.
    »Das war die Buchhändlerin, von der sich unser Institut alle Neuerscheinungen unseres Faches zur Ansicht kommen lässt. Immelborn ihr Name, Sabrina Immelborn.«
     
    *
     
    Da man von ihrem Büro in der Keithstraße mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit mehrmaligem Umsteigen nach Zehlendorf kam, waren sie zur Fahrbereitschaft gegangen und hatten sich einen Dienstwagen besorgt. Große Navigationskünste waren nicht vonnöten, denn nachdem sie die Joachimsthaler Straße erreicht hatten, ging es – mit einem leichten Knick am Walther-Schreiber-Platz – eigentlich immer nur geradeaus, jedoch nervten die unzähligen Ampeln auf der Bundesallee, der Schloßstraße und der Straße Unter den Eichen gewaltig. Grätz erregte sich zudem darüber, dass auch am Vormittag so viele Leute unterwegs waren.
    »Können die denn alle nicht mit ihrem Arsch zuHause bleiben?«
    »Die werden schon was Wichtiges zu erledigen haben«, sagte Schneeganß. »Bei diesen Benzinpreisen fährt keiner zum Vergnügen spazieren.«
    Grätz hatte sich fotokopiert, was Schneeganß zum Verdacht gegen Sabrina Immelborn zu Papier gebracht hatte, und zitierte die im Augenblick wichtigste Passage: ›Sie streitet aber generell ab, das Krankenhaus für längere Zeit verlassen zu haben, sie sei höchstens einmal auf die Straße getreten, um eine Zigarette zu rauchen.‹
    »Da hat sie wohl gelogen«, sagte Schneeganß. »Ein Stückchen zu laufen ist es vom Haupteingang am Landwehrkanal bis zur Urbanstraße ja doch.«
    »Und wer raucht eine Zigarette, wenn er einen Benzinkanister in der Hand hat«, fügte Grätz hinzu.
    »Wenn das mal wirklich so gewesen ist«, sagteSchneeganß.
    »Wie meinst du das?«, fragte Grätz.
    »Ich meine das im Hinblick auf unsere beiden Augenzeugen, den Johannes und die Dorothea. Wenn ich mir die beiden vor Gericht vorstelle, er mit seinen Bibelzitaten, und sie haut ihm andauernd auf den Kopf …«
    »Was sollten die beiden für ein Interesse daran haben, die Immelborn fälschlicherweise zu beschuldigen?«, fragte Grätz.
    »Eigentlich keines, aber wer weiß. Vielleicht hat der Herr Professor ein Buch geschrieben, und sie hat es nicht im Regal stehen gehabt. Das ist nun die Rache.«
    Sowie sie die Buchhandlung betraten, bekannte Grätz, eine phobische Abneigung gegen Bücher zu haben. »Schade, dass das wegen unserer Nazivergangenheit nicht zu machen ist, doch wenn es nach mir ginge: Alle auf einen Haufen werfen und anzünden!«
    Eine alte Dame fuhr herum und zischte, er solle sich was schämen.
    Der ältere Herr neben ihr dagegen lachte und meinte, etwas gegen das Lesen zu haben, stünde in der Tradition Arthur Schopenhauers, und stützte dies mit einem Zitat aus dem handschriftlichen Nachlass des Philosophen: »›Lesen ist ein bloßes Surrogat des eigenen Denkens. (…) … wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, (…) die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert … Solches aber ist der Fall sehr vieler Gelehrten: sie haben sich dumm gelesen.‹«
    »Eine wunderbare Formulierung«, sagte Schneeganß. »Sich dumm lesen.« In seinem Umkreis gab es in der Tat viele selbst ernannte Intellektuelle, die so viel lasen, dass sie nicht mehr zum eigenen Denken kamen, und lediglich das nachplapperten, was andere zu Papier gebracht hatten.
    Allerdings blieb zu weiteren Reflexionen keine Zeit mehr, da Sabrina Immelborn nahte und fragte, ob sie ihnen helfen könne.
    »Was denn, Sie erkennen uns nicht mehr wieder?«, fragte Grätz.
    »Doch, natürlich, aber Sie sind sicherlich hier, um Bücher zu kaufen, und wenn nicht,
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