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Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Titel: Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Autoren: Christian Ortner
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Schüler, sei es der Umwelt dort deutlich besser gegangen als in der Bundesrepublik Deutschland.
    Wenn sie älter werden, werden Jessica und Kevin nicht eben politisch klüger. »Im Umfeld der Bundestagswahl 2002 wussten nur etwas mehr als die Hälfte der deutschen Bundesbürger die korrekte Anzahl der Bundesländer; weniger als 50 Prozent wussten, dass der Zweitstimme im deutschen Wahlsystem eine größere Bedeutung zukommt als der Erststimme. Grundsätzlich nimmt das Wissen über Politik rapide ab, wenn Details beleuchtet oder Fakten über Personen, Organisationen und Institutionen nachgefragt werden, welche vom Bürger in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu Fragen der nationalen Politik gesehen werden …« , schreibt Jürgen Maier in seinem Buch »Politik in der Mediendemokratie«. Das ist aber kein rein deutsches Phänomen, denn auch »… eine in Amerika gemachte Studie von 1996 zeigt, dass nur 41 Prozent der mehr als 2000 (politischen, Anm.) Wissensfragen von mindestens der Hälfte der Befragten korrekt beantwortet werden konnten. Der Anteil der Fragen, auf die drei Viertel oder mehr der Befragten eine richtige Antwort wussten, lag sogar bei nur 13 Prozent. Unter den Fakten, die die Probanden nicht beantworten konnten, waren auch zahlreiche Aspekte, die elementar sind um Politik zu verstehen bzw. um effektiv in der Welt der Politik agieren zu können (grundlegende demokratische Spielregeln, klassische Bürgerrechte, Grundbegriffe der Wirtschaftspolitik, Namen von Inhabern wichtiger Ämter, zentrale Partei- und Politikpositionen etc.)«.
    Nicht besser steht es um die intellektuelle Befindlichkeit der jungen Österreicherinnen und Österreicher an der Grenze zum wahlberechtigten Alter. Unternehmer klagen ebenso regelmäßig wie folgenlos, dass es Schulabgängern an den minimalen Kulturtechniken mangle, ohne die Erwerbsarbeit unmöglich ist. Jeder fünfte 15-jährige, berichtet etwa ein österreichischer Industrieller, könne weder richtig lesen noch richtig schreiben. » Die Dinge, die man früher schon aus der Volksschule kannte, nämlich lesen, schreiben und rechnen können, sind bei 15-jährigen jetzt nur mehr rudimentär anzutreffen. Wir haben Industrieunternehmen, die das erste Jahr damit zubringen, den Kindern diese Grundkulturtechniken wieder beizubringen «, erklärt Werner Frantsits, Sprecher der Industriellenvereinigung Burgenland.
    Dass Industriebetriebe mühselig reparieren müssen, was die Schule und die Eltern vergeigt haben, ist nicht nur für den Wirtschaftsstandort ein grober Nachteil.
    »Es ist schon bedauerlich, wenn Studenten unsicher sind, ob der Zweite Weltkrieg im 19. oder 20. Jahrhundert war. Auch die Geschichte des Christentums ist vielen unbekannt. Die Gefahr ist, dass sich dadurch ein Aberglaube und eine antirationalistische Haltung ausbilden« , diagnostiziert Bildungsexperte Gerhard Wolf.
    Das gilt natürlich nicht nur für Studenten. Mit antirationalistischen Haltungen des Souveräns ist der demokratische Prozess quer durch die Alterspyramide nicht so zu organisieren, dass er leidlich funktioniert. Denn natürlich können nur einigermaßen verständige Wähler zu einigermaßen vernünftigen politischen Entscheidungen kommen. Wer Schwierigkeiten hat, zu lesen oder zu schreiben oder den Zweiten Weltkrieg im 20. Jahrhundert zu verorten, der wird auch Schwierigkeiten haben, irgendwie sinnhaft für oder gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), die Energiewende oder eine NATO-Intervention in einem Bürgerkriegsland und die daraus resultierenden Parteipräferenzen zu votieren.
    Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Verblödung der Mehrheit ein bestimmtes Ausmaß nicht überschreitet, sonst kippt sie in die Herrschaft der Verblödeten.
    Wie weit wir auf diesem Weg fortgeschritten sind, lässt sich sehr schwer vermessen. Wer den politischen Prozess einigermaßen aufmerksam verfolgt, hat wenig Grund zur optimistischen Annahme, die Denkfähigkeit und Denkfreudigkeit des durchschnittlichen Wählers hielte Schritt mit der zunehmenden Komplexität der Entscheidungen, die der demokratische Prozess zu treffen hat. Selbst wenn sie sich darum bemühen würden, die Vorgänge um sie herum zu verstehen, wären Kevin und Jessica mit diesem heroischen Unterfangen maßlos überfordert. Wer BMW für eine deutsche Automarke mit vier Buchstaben hält, deren erster ein A ist, wird an einer Beurteilung des ESM scheitern müssen.
    » Die Demokratie war eine optimale Form des Regierens,
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