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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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ging oder ritt neben seinem einen oder mehreren Tieren einher, sie mit einer Leine leitend. Er hatte den Lodenrock an, einen breiten Hut auf und oft den Gebirgsstock in der Hand - und in der damals noch einsamen Luft, in welcher nur die Naturlaute des Singens und Schreiens der Vögel und des gelegentlichen Rufes eines Tieres waren, tönte das Glöcklein, das an dem Halse eines Saumtieres hing. In der grünen Fichtau hielten sie gerne an, wie auch die zwei taten, von denen wir oben geredet haben. Nachdem sie alles, was sie begehrten, von einem Diener erlangt hatten, schnürten sie wieder ihre Sachen und zogen mit dem feinen Tone des Glöckleins an der Steinwand hin, auf welcher die Tannen standen, die morgens die langen Schatten geworfen hatten.
    Die letzten Gäste der grünen Fichtau waren zwei Holzknechte. Sie kamen erst, da die Sonne nur mehr über den äußersten Rand der westlichen Bergwände auf das allerlei Waldlaub hereinspann. Sie waren damals, wie jetzt, leicht erkennbar: das Angesicht mehr als gewöhnlich gebräunt, darin das Leuchten des Auges - der eigentümliche Anzug, damals noch mehr Leder enthaltend, darüber der Oberwurf von Loden, dann die Steigeisen, der langstielige Gebirgshaken und oft ein oder mehrere Bündel Eisenkeile. Der Vater Romanus war zufällig auf die Gasse gekommen, als sie herzugingen. Er redete sie seiner Weise nach sogleich an und sagte: »Ei, ei, es ist ja nicht Samstag, wo kommt denn ihr her, und wo seid ihr denn gewesen?«
    »Wir sind bei dem gebrochenen Stein hinten gestanden«, sagte einer von ihnen, »und sind gestern schon herabgestiegen, um den Brautgang zu sehen. Heute gehen wir noch in die rote Schwaig zurück und steigen morgen früh wieder auf das Eiseck hinauf.«
    »Nun, das ist ja recht gut«, antwortete der Wirt, »daß ihr herabgestiegen seid - es ist kein kleiner Weg, und die Klötze können derweil ruhig zwei Tage auf dem Eisecke schlafen.«
    »Ei, Vater Romanus, gebt uns einen Wein«, sagte der Sprecher mit lustigem Lächeln. »Ihr habt ja doch durch unser Herabsteigen keinen Schaden gelitten.«
    »Du meinst etwa gar Nutzen, Konrad, wegen des bißchen Weines«, sagte der Wirt - »ich habe keinen Schaden gelitten; denn von meinen Leuten ist keiner herabgestiegen, um Bräute zu sehen, außer dieser da.«
    Er wies bei diesen Worten auf die Hausbank hin, auf welcher Tiburius, der Ziegenhirt, nachdem er sein Mittagmahl gehalten hatte, wieder saß und ruhig lächelte. Hierauf befahl er, daß man den Gästen jenen sauren, starken Wein gebe, den diese Leute lieben und den sie zu ihrem harten Brote oder zu fetten Klößen trinken. Er blieb bei ihnen, trank selber sein Abendgläschen guten Weines und redete mit ihnen, bis sie fertig waren. Sie standen auf, zahlten das wenige Geld für ihre Zehrung, schulterten ihre Sachen, gingen auf dem entgegengesetzten Wege fort, als wo sie gekommen waren, und verschwanden bald in dem Gesträuche.
    Und von nun an blieb das weitgebreitete hölzerne Waldhaus mit allen seinen Nebenschoppen und Gebäuden einsam. Es stand schon in dem Schatten des Abends; denn die Sonne war hinter dem Rande der Wand untergegangen, alle Blätter und Nadeln wurden gleichsam noch grüner und dunkler, während der Grahns, der im Osten stand, anhob, beinahe hellrot auf das Ganze niederzuleuchten. Die Leute in der grünen Fichtau taten ihre Geschäfte des Abends, und der Sohn des Hauses, ein schöner schlanker Jüngling, noch jünger als seine junge Schwester Lenore, tat auch, was er gerne um diese Zeit zu tun pflegte. Er ging mit drei großen schönen Hunden, welche einen Teil der Besatzung des Hauses ausmachten, auf dem Talpfade neben der Perniz hin, immer weiter und weiter, bis er nicht mehr gesehen werden konnte. Er tat dieses gerne, entweder weil er da keine Arbeit hatte oder weil er überhaupt sinnend war und gerne seinen Gedanken und Träumereien nachging oder weil auf sein unentwickeltes Herz diese Tageszeit eine besondere Wirkung ausübte, die im Gebirge mehr als im flachen Lande um alle Dinge ihre unbeschreibliche Ruhe und Würde ausgießt.
    Es war in der grünen Fichtau Gewohnheit, früh schlafen zu gehen, um, wie sich Romanus
    ausdrückte, die Nacht Nacht und den Tag Tag sein zu lassen. Im Sommer geschah es schon, wenn die letzte Stufe der Dämmerung noch am Himmel leuchtete, so daß man genug sah, seine Schlafstelle zu suchen, und daß, wenn man schon schlief die Sterne oder der Mond zu scheinen anhoben.
    Wie alle Tage war es auch heute an diesem so
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