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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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rinnen, auch Wege sind und Hütten und Häuser zerstreut im ganzen Steinreviere der Fichtau liegen, dann werden an Sonn- und Feiertagen auf dem Platze vor unserem Hause eine Menge Wägelchen stehen, die da zu einem Frühmahle kommen, und daß wir dann alle miteinander in die Kirche nach Prigliz fahren. Darum muß auch eine Schmiede her, die gewiß einer unserer Nachfolger errichten wird. - Ich habe selber schon hinter dem Hause einen großen Garten wollen anlegen lassen, aber es sind noch die Bäume mit ihren langen Schatten, und im Frühlinge deswegen die häufigen hartnäckigen Reife. -- Wie haben auch in der Zeit her die Rothensteiner auf dem Berge gewirtschaftet - wie haben sie verändert und umgestaltet und gebaut, die bauen eigentlich immer. Sie bauen dies und das und stets mehr und immer mehr - das ist ganz unglaublich, ganz unrechenbar und füllt den Kopf mit schwerer Sorge; was das für Geld gekostet haben mag!« - -
    Nach diesen Worten erheiterte sich sein Angesicht sichtbarlich, und er begann mit Vergnügen zu lächeln. Es kam seine Tochter Lenore über den Platz her gegen ihn gegangen, in knapper, sehr netter Kleidung, daß die Schönheit des Mädchens noch bedeutender auffiel. Die langen Wimpern schatteten über die großen Augen und standen zu den frischen Wangen sehr fein.
    »Wo gehst du denn hin, Lenore?« fragte er sie.
    »Die Mutter schickt mich in das Hintergärtchen um Grünes in die Suppe«, antwortete sie, »und dann läßt sie Euch sagen, die Mittagskost für die Leute, welche etwas bedürfen, sei schon fertig, und sie mögen nur kommen.«
    Der Vater nahm seine Tochter freundlich an der Hand; führte sie zu dem Tische, wo die Gäste saßen, mit denen er eben sprach, und fragte sie: »Kennst du diesen Mann da?«
    »Ja«, antwortete sie, »es ist der Riemmeister von Perklas.«
    »Und wen soll er denn grüßen?« fragte er weiter. Lenore sagte nichts - kein Sterbenswörtchen. Die langen Wimpern senkten sich noch tiefer, bis die Augenlider ihre Äpfel vollkommen deckten. In die feinen Wangen goß sich nach allen Richtungen das Blut - und es wurde die unbeschreibliche Anmut ihrer Jugend und ihres Standes sichtbar.
    Der Vater winkte voll innerer ungebändigter Freude dem andern mit den Augen zu. Dieser saß da und lächelte.
    »Nun, wen soll er denn grüßen?« fragte Romanus wieder.
    »So grüßt ihn recht schön und recht herzlich«, sagte das Mädchen, indem es die Augen ein wenig emporschlug. »Du darfst dich nicht schämen, Narre, es ist schon alles recht, es ist schon recht«, sagte der Vater viel sanfter und freundlicher. »Jetzt geh nur, geh, du Ebenbild deiner Mutter«, setzte er hinzu, »hole das Grüne in die Suppe, und weil alles fertig ist, sage der Mutter, daß die Leute schon kommen werden.«
    Er ließ sie los, und sie ging um eine Gebüschecke, wo sich vielleicht das fragliche Hintergärtchen befinden mochte.
    Der Wirt behielt sein vergnügliches, leuchtendes Angesicht. Er ging auf dem Platze ein wenig hin und her, daß seine weißen Haare, die unter dem Barette hervorquollen, abwechselnd in der Sonne schimmerten, und rieb sich die Hände. Er dachte wahrscheinlich vor der Gegenwart nicht mehr an die Schauerlichkeiten und Unheimlichkeiten aller Vorfahrer und nicht an die Mühen und Abänderungen aller Nachfolger und nicht an den Stolz und das Wirken der Rothensteiner.
    Lenore war mit dem Grünen nicht mehr auf demselben Wege zurückgekommen, auf dem sie hingegangen war. Wahrscheinlich hatte sie den Umweg rückwärts um das ganze Haus herum gemacht.
    Romanus ging noch ein wenig auf dem Platze hin und wider, sagte zu diesem und jenem gelegentlich ein Wort und sprach dann zu allen: »Ich glaube, daß es Zeit ist, Leute, hineinzugehen. Wem eine Mittagsuppe in der grünen Fichtau genehm ist, dem ist sie vergönnt, und er begebe sich nur in die Küchenstube. «
    Mehrere von den Anwesenden gingen hinein; andere nahmen Abschied, zogen ein Stück Brot hervor und verzehrten es lustig und plaudernd nach heimwärts wandernd, indem sie sich zu stolz dünkten, von der grünen Fichtau ein Almosen anzunehmen; und wieder andere blieben müßig stehen und schauten herum.
    Es waren heute, wie natürlich zu erachten ist, viel mehr Menschen in der grünen Fichtau als zu anderen Zeiten. Es war in dem Hause eine sehr große Küche mit lichten Fenstern gegen das Grüne. In dieser Küche stand Mutter Ludmilla und ordnete das Verteilen der Speisen. Neben der Küche gegen die Waldung hinaus war eine große
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