Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition)

Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition)

Titel: Probeweise: Die Kurzgeschichte zum Roman »Sommerfalle« (German Edition)
Autoren: Debra Chapoton
Vom Netzwerk:
Fittiche genommen. Eddie nannte Bilder von den beiden in der Cafeteria, auf dem Parkplatz, bei Taco Bell und auf Rebeccas Veranda sein Eigen. Natürlich strich er dieses neue Mädchen auf den Fotos immer durch, so dass nur Becky zu erkennen war.
    »Hi, Sarah«, antwortete Rebecca. »Ich weiß nicht, warum ich es vergessen habe, aber ich muss heute noch zum Lauftraining. Also kann ich nicht mit dir in die Mall gehen.«
    »Kein Problem«, sagte Sarah, kam näher und flüsterte ihr ins Ohr.
    Die Mädchen kicherten, und Sarah ging ein paar Schritte, während sie mit den Augen den Flur absuchte. Zuerst konnte sie nur Eddies Füße sehen, doch dann erkannte sie auch seinen Kopf mit der Kapuze.
    »Da ist er wieder«, stieß sie so laut hervor, dass Eddie es hörte. »Ich frag mich, wer das wohl ist.«
    »Anscheinend ein Streber«, flüsterte Rebecca zurück.
    Eddie hob die rechte Hand an seine Stirn, um sein Gesicht noch besser zu verbergen. Dabei hörte er, wie sie ihre Unterhaltung in normaler Lautstärke fortsetzten und Pläne für später machten. Becky verschloss ihren Spind, und dann gingen die beiden fort. Er beugte sich vor und spähte zwischen den Fingern hindurch, immer noch darauf bedacht, nicht erkannt zu werden, falls sie sich umdrehten. Aber warum sollten sie sich schon umdrehen? Sie hatten seine Anwesenheit längst vergessen.
    Eddie ließ die Hand sinken, sammelte seine Schulsachen ein und verließ das Schulgebäude über die Hintertreppe. Er hasste diese Sarah. Warum hatte sie Becky auf ihn aufmerksam gemacht? Jetzt konnte er sie nicht mehr auf diesem Flur belauschen. Aber egal, dachte er, das würde nicht viel ausmachen. Ihm blieben immer noch die Bücherei, das Unterholz neben der Laufbahn und ein paar andere geheime Plätze. Er würde eben vorsichtiger sein.
    Eddie ging zu seinem Wagen auf dem Schulparkplatz und parkte ihn näher bei den Sportanlagen. Dann duckte er sich hinter das Lenkrad und beobachtete, wie das Laufteam auf das Trainingsgelände schlenderte. Wie träge sie alle aussahen. Zumindest gehörte Rebecca nicht zu dieser letzten Gruppe von Nachzüglern. Sie war schon dabei, sich zu dehnen und aufzuwärmen. Er war so stolz auf ihre sportlichen Fähigkeiten, obwohl sich das für Plan D als problematisch erweisen konnte.
    Eddie öffnete das Handschuhfach und holte den kleinen Pokal heraus, an dem er gearbeitet hatte. Mit den Fingern strich er über Beckys Namen. Er hatte ein scharfes Werkzeug gebraucht, um die Buchstaben so fein einzugravieren. Ein sehr scharfes. Es gab so viele Dinge, für die er dieses Werkzeug noch verwenden konnte, und gerade fiel ihm eine weitere Möglichkeit ein. Er hob die Fußmatte vor dem Beifahrersitz und holte die Metallspitze aus dem Versteck. Das war eine impulsive Aktion, aber er konnte einfach nicht anders. Er beobachtete, wie der Trainer als Letzter aus dem Gebäude kam und noch ein paar Trödler Richtung Laufbahn scheuchte. Jetzt, sagte er sich, tu es jetzt.
    Er verbarg den Pokal und das Werkzeug unter seinem Hemd und machte sich auf den Weg in Richtung der Umkleiden. Dabei ging er ganz unauffällig, mit gesenktem Kopf und ohne Eile.
    Von der Umkleide der Jungen kürzte er durch die Turnhalle ab und betrat die Umkleide der Mädchen, die sich direkt neben dem Büro des Trainers befand. Am Eingang blieb er stehen und starrte auf das Schwarze Brett. Er lauschte auf Geräusche, aber da hüstelte niemand, keine Toilette wurde gespült, keine Spindtür quietschte. Nach einem letzten Blick über die Schulter trat er in den schmalen Flur und lief die drei Stufen zu den Reihen der Spinde und Bänke hinunter. Es roch hier anders. Sauberer als in der Kabine der Jungen, verheißungsvoller, frischer. Offenbar wurden hier keine verschwitzten Trainingsklamotten tagelang in die Spinde gestopft.
    Gemäß der Liste am Schwarzen Brett gehörte Spind Nummer 244 Becky McPherson. Eddie gönnte sich einen Moment, um sich auf die Bank zu setzen. Genau dorthin, wo Becky sich ihre Schuhe gebunden haben musste. Er starrte den Spind an und holte dann den Pokal und das Werkzeug unter seinem Hemd hervor. Er versuchte, sich vorzustellen, was Becky hier tat. Scherzte sie mit dem Mädchen rechts neben sich? War sie mit dem auf der linken Seite befreundet?
    Er suchte mit den Augen die Reihen der Spinde ab. Zwanghaft zählte er die Vorhängeschlösser – acht auf dieser Seite, elf hinter ihm. Aber irgendwas war anders. Das Schloss von Nummer 244 wirkte länger. Er stand auf und betrachtete es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher