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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Endl
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ja“, grummelte er und blickte kritisch drein. Dann führte er die Kugel an seinen Mund und begann zu röcheln. Angeekelt musste Skaia mit ansehen, wie er ihre Kugel mehr anhustete als anhauchte. Doch das Glas beschlug nicht. Stattdessen war zu sehen, wie die Flüssigkeit im Inneren wild umherwirbelte. Als sie sich wieder beruhigt hatte, ähnelte sie einer gelben, durchsichtigen Vitaminbrause. Und in ihr torkelten jede Menge schwarzer Zahlen und Buchstaben. Einzelne von ihnen schwammen in rascher Folge nach vorne an die Glaswand und glitten gut lesbar vorbei. Beide Meister der Zeit starrten auf das Zeichengestöber. Der Gnom stöhnte: „Ach, die! Hätte ich mir denken können. Himmel, war das furchtbar damals mit ihrer Kugel, ja.“ Er schaute fast vorwurfsvoll zu Skaia. „Ich bin ja auch nur ein einfacher Mann. Immer müssen wir alles richtig machen. Richtig, ja“, schnauzte er sie an.
    Auch die Meisterin konnte ihren Schreck schlecht verbergen: Aus ihrem Gesicht verschwand die dezente Bräune, und ihr verbindliches Lächeln gefror.
    „Da“, krähte der Gnom und drückte Skaia ruppig die Kugel in die Hand, „alles in Ordnung.“
    Bevor ihn Skaia verunsichert fragen konnte, was seine Bemerkungen zu bedeuten hätten, schaltete sich Klirr ein. „Und sie“, deutete er mit zitterndem Zeigefinger auf Skaia, „hat behauptet, die Kugel sei nicht in Ordnung.“
    „Na, dann ist sie es eben nicht, ja“, rief der Gnom erregt.
    Klirr starrte ihn verblüfft an. „Aber, wie ...“, stammelte er.
    Doch die Meister der Zeit achteten nicht auf ihn. „Aus! Die Führung ist zu Ende, ja“, schnappte der Gnom. Und die Meisterin, die ihre Fassung allmählich wiederfand, räusperte sich, um einigermaßen überzeugend zu klingen. „Wir bedanken uns für euer Interesse. Und merkt euch immer eines: Die Zeit ist dein Freund. Sie will dir nichts Böses. Nimm’s, wie sie kommt, nutz‘, was sie bringt! Mit der Zeit wird alles gut.“ Ihr Blick wanderte über die Kinder. Am Ende blieb er an Skaia hängen. „Geh’ mit der Zeit!“
    „Wohin auch immer, ja“, meckerte der Gnom und schob die Klasse samt Klirr durch eine Tür, auf der „Kein Ausgang“ stand. Kaum waren die Kinder und ihr Erzieher draußen, fiel sie hart ins Schloss.

 

Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren, und wenn sie sich noch so bemühte. Skaias Augen schweiften zwar über den Text, aber er kam nur bruchstückhaft in ihrem Hirn an. „Geschichte der Zeit“ hieß der dicke Wälzer, den ihr Klirr für die Hausaufgaben zugeteilt hatte. Wie sollte sie das denn alles zusammenfassen? Den anderen Kindern hatte Klirr beim Marsch durch die Anstaltsbibliothek dünne Bücher und Bildbände zugeworfen. In dem Werk, das vor Skaia lag, gab es fast nur Text. Ein einziges Foto fand sie. Und das zeigte auch noch den Meister der Zeit, dem ein Orden ans Revers seines wallenden, dunklen Anzugs gesteckt wurde. Schiefäugig dreinblickend, hatte er seine Zunge im rechten Mundwinkel hängen, während er den linken nach oben zog. Das war wahrscheinlich der beglückteste Gesichtsausdruck, den der Mann zustande brachte. Unter dem Bild hieß es: „Anlässlich des 150. Gründungstages des Hauses der Zeit ehrten die Eingeweihten die derzeitigen MDZ mit der Verleihung des Sonnenordens siebter Klasse für ihre Verdienste.“ Das Kapitel, das mit dem Bild eingeleitet wurde, pries denn auch die großartigen Fortschritte, die die Stundenkugeln gebracht hatten. Keiner musste mehr überlegen, wann er was als nächstes zu tun hatte. Klare Tagesabläufe und das rechtzeitige Gongen der Kugel machten das Leben in Solterra viel nutzbringender. Und weil die Kugeln mit den Daten ihrer Träger gespeist waren, ließen sie jedem genau die Zeit, die er für seine Aufgaben brauchte. Wer sich schwer tat, Lehrstoff zu wiederholen, bekam automatisch mehr Zeit für die Hausaufgaben. Freilich wurde ihm selbige dann bei den Erholungsphasen abgezwackt.
    Skaia betrachtete das Bild von der Ordensverleihung und fragte sich, wie man diesen Kauz so ehrenvoll auszeichnen konnte. Schließlich hatte er nicht einmal sagen können, ob Skaias Stundenkugel funktionierte oder nicht. Zu blöd war das. Die Kugel schimmerte rötlich, obwohl Skaia noch nicht einmal eine Seite über die Geschichte der Zeit niedergeschrieben hatte. Und was war an den Zeichen, die in ihrer Kugel herumschwammen, so aufregend gewesen, dass die Zeitmeister derart aus dem Häuschen geraten waren? Insgeheim hatte Skaia zwar immer das Gefühl
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