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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod
Autoren: Beatrix Gurian
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freundlich anlächelt, gar nicht ironisch . Trotzdem bringe ich immer noch kein Wort heraus . »Willst du nicht wissen, wie meine Geschichte weiterging i n der Straßenbahn? « »Doch, schon!« Immerhin. Glückwunsch, Lissie: Das ware n zwei ganze Worte ! Er steht auf, nimmt den Karton, als wäre er nur mit Luft gefüllt, und stellt ihn auf den Treppenabsatz. Dann richtet e r sich auf und schaut mir voll ins Gesicht. »Es war mir so furchtbar peinlich, dass ich weggerannt bin.« »Ohne die Wäsche?« Er nickt und grinst wieder so, dass man die Zahnlücke sehen kann. »Damals war ich eben noch ein ziemlicher Idiot.« Es liegt mir auf der Zunge, ihn zu fragen, ob er heute denn keiner mehr ist, aber ich traue mich nicht. Er dreht sich zu mir um und sagt, gerade so, als hätte er meine Gedanken gelesen: »Na ja, manche finden, dass sich nicht viel geändert hat!« Er lacht, hängt sein Jackett über das Geländer, geht nach draußen und lädt sich ganz selbstverständlich drei Kartons auf. Ohne sich weiter um mich zu kümmern, rennt er geradezu nach oben, verströmt Energie, als wollte er heute noch die Zugspitze raufklettern, dabei ist er bestimmt schon Ende zwanzig. Ich greife mir die Wäschekiste vom Treppenabsatz und laufe hinter ihm her. Als ich oben ankomme, ist er verschwunden. Auch in der Küche ist er nicht. Bernadette wartet dort auf mich, sie hält mir schon einen Eistee entgegen. »Wo warst du so lange?«, fragt sie und gleichzeitig platze ich raus: »Das glaubst du nicht, was mir gerade passiert ist!« Wir lachen beide, dann schaffe ich es gerade noch zu sagen: »Wir haben Hilfe bekommen!«, als auch schon der Mann aus meinem Zimmer auftaucht. Bernadette schaut über meine Schultern, nickt flüchtig. »Ja, ich hab’s gemerkt«, sagt sie kühl. »Ihr kennt euch?«, frage ich und komme mir ziemlich blöd vor. »Klar, das ist doch Kai, mein Stiefvater!«, erwidert Bernadette, so, als ob ich das wissen müsste. Das soll Brigittes Mann sein, der holzhausbauende Öko freak? Unfassbar! Den habe ich mir ganz anders vorgestellt . Viel älter, dicker, mit Vollbart und Brille, auf keinen Fall s o dynamisch und witzig . Weder Nico noch Bernadette haben mir viel über ihren Stiefvater erzählt und jetzt kommt mir das merkwürdig vor . Ich drehe mich zu Kai um, der mir zuzwinkert und entschuldigend mit dem Kopf wackelt. »Tut mir leid, dass ich nich t gleich geschaltet und mich vorgestellt habe. Bitte sag Kai z u mir, ja? Sonst komme ich mir so alt vor. « Bernadette äfft ihn stumm nach, als hätte sie das schon of t gehört . »Du bist alt!«, sagt sie dann . Kai übergeht Bernadettes Bemerkung mit einem Schulterzucken. »Wie viele Kisten sind es denn noch?«, fragt er . »Achtzehn«, murmele ich, damit Bernadette nicht hört, wa s ich sage . »Na, dann wollen wir mal.« Er reibt sich die Hände. »Ich mus s nur eben kurz telefonieren. « »Ich dachte, du hättest so einen wichtigen Termin heute? « Bernadettes Stimme klingt schrill. »Sag mal, wenn Lissi e hässlich wäre, würdest du den Termin dann auch verschieben? « Kai schüttelt nur milde den Kopf, während er eine Numme r auf seinem Handy sucht . »Ist doch nett, dass er uns hilft, oder?«, flüstere ich ihr zu . Bernadette tippt sich an die Stirn. »Der tut nichts ohne Hintergedanken! « Ich bin etwas verblüfft. Was ist denn das für eine merkwürdige Beziehung zwischen ihr und ihm ? »Ich gehe dann mal und hole die nächsten Kisten«, sage ic h und renne die Treppen runter . Kai hat mich schnell wieder eingeholt. »Bernadette ist scho n in Ordnung«, sagt er. »Sie ist nur leicht eifersüchtig und meint es nicht so.« »Klar ist sie in Ordnung, schließlich ist sie meine Freundin«, antworte ich. Irgendwie fühle ich mich ein bisschen auf den Arm genommen. Bernadette und Nico hätten mir wirklich mehr von ihrem Stiefvater erzählen können. Während wir die Kartons nach oben schleppen, fragt Kai mich nach meinem Vater aus und verrät mir, dass er verstehen kann, was Papa an diesem Job gereizt hat. Er erzählt, dass er früher auch davon geträumt hat, mit dem Schiff um die ganze Welt zu schippern. Als ich ihn frage, was ihn denn daran gehindert hätte, lächelt er wieder zwischen seiner Zahnlücke durch und erzählt mir, wo er überall gewesen ist: China, Japan, Madagaskar, Grönland, Mongolei. Schließlich unterbricht er sich kopfschüttelnd, entschuldigt sich für das viele Quatschen und fragt mich weiter aus. Will wissen, ob mir meine Mutter oft fehlt
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