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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod
Autoren: Beatrix Gurian
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Kein einziges Wort. Er hat nur genickt und ist gegangen. Von da an war ich Luft für ihn. Trotzdem hatte unsere Freundschaft etwas richtig Gutes, denn so habe ich seine Schwester Bernadette näher kennengelernt. Bernadette ist nur zehn Monate älter als Nico, deswegen sind wir alle drei im gleichen Jahrgang. Sie ist nicht nur äußerlich ganz anders als ihr Bruder, nämlich mollig und blond, sondern auch sonst. In Sprachen und Deutsch ist sie eine Niete, aber von Technik und Mathematik versteht sie jede Menge. Sie ist stiller und dafür immer gleich gut gelaunt und sie kann, wenn sie will, unglaublich charmant sein. Meinen Vater hat sie jedenfalls so elegant um den Finger gewickelt, dass er mir erlaubt hat, für die letzten beiden Schuljahre mit ihr zusammenzuziehen, während er diesen Job auf dem Luxusdampfer macht. »Verdammt, warum musst du eigentlich bei dieser Hitze um ziehen?« Bernadette schimpft unentwegt vor sich hin und ich kann es ihr nicht übel nehmen. Die Stufen in dem rosa gekachelten Treppenhaus sind zwar angenehm niedrig, aber dafür leider auch unendlich viele. Eigentlich wollte ich sie zählen, doch bei einhundertsiebenundsiebzig gebe ich auf, weil ich aufpassen muss, dass mir der Karton nicht unter den Fingern wegrutscht. Bernadettes Familie besitzt die Villa an der Theresienwiese schon seit Menschengedenken. Sie ist riesig und Bernadette und Violetta haben jeder eine eigene abgeschlossene Wohnung in dem Haus. Nur Nico wohnt noch bei seinen Eltern, die im zweiten Stock leben. »Oh Mann«, stöhnt Bernadette, als wir endlich oben ankommen. Ich vermute, dass ihre Mutter, die jeden Tag zehn Kilometer joggt, ihre unsportliche Tochter nicht ohne Hintergedanken ganz nach oben verfrachtet hat. »Wie viele Kartons sind es denn noch?« Ich flunkere ein bisschen, um sie nicht völlig fertigzumachen, und murmele etwas von zehn Stück, dabei sind es zwanzig. Papa wollte, dass ich meine T-Shirt-Sammlung mit den coolen Sprüchen zum Wertstoffhof bringe, aber das kam für mich nicht infrage, auch wenn Bernadette ihm recht gibt und die Shirts »so was von total out« findet. Doch im Unterschied zu ihr habe ich keine reichen Eltern und auch keine Lust, mir ständig bei H&M neue Fummel zu kaufen, mit denen dann sowieso jede herumläuft. Da finde ich meine Shirts tausendmal schöner. Heute zum Beispiel trage ich ein braunes mit grüner Blockschrift. »Sinnlos ist ein Leben ohne Sinn für Unsinn«. Okay, das ist vielleicht nicht mein allercoolstes, aber für den Umzug reicht es. »Noch zehn! Das muss ich erst verdauen!« Bernadette lässt sich auf den Karton plumpsen, den sie gerade in mein neues Zimmer gebracht hat. Ich stelle meinen daneben und setze mich dazu. Dieses Zimmer ist bestimmt doppelt so groß wie mein altes und viel heller, denn eine ganze Wand besteht aus Glastüren, sodass man weit über die Theresienwiese und bei Föhn sogar die Alpen sehen kann. Und das Ganze wird noch von einer riesigen Dachterrasse getoppt. Durch die offen stehenden Türen kitzelt der Duft von Rosen und Jasmin, die in riesigen Kästen an der Brüstung wachsen, angenehm in meiner Nase und ich frage mich wieder einmal, ob es wirklich wahr sein kann, dass ich für so eine winzige Miete hier wohnen darf. Würden Bernadettes Eltern es irgendwann bereuen, dieses herrliche Zimmer für so lächerlich wenig Geld vermietet zu haben? Und den schönen alten Garten mit der Baumschaukel darf ich auch benutzen und den Keller und, und, und. Ich schüttele die Gedanken ab. Hör auf mit diesem Quatsch, ermahne ich mich. Du weißt doch genau, Bernadettes Mutter gefällt es, dass Bernadette Gesellschaft hat und wir zusammen dieselbe Schule besuchen. Außerdem sind Bernadettes Eltern nicht gerade arm und ich sollte aufhören, mir deshalb Gedanken zu machen, sonst bekomme ich am Ende noch Komplexe. Und das wäre unnötig, denn Bernadette hat mir schon oft erzählt, wie peinlich es ihr ist, dass ihre Mutter so viele Millionen geerbt hat. Ich weiß, dass Bernadette sich ständig fragt, ob sich manche Mädels nur aus diesem Grund mit ihr anfreunden. »Weiter geht´s.« Ich rappele mich auf, doch Bernadette macht keine Anstalten aufzustehen. »Jetzt schon?«, fragt sie matt. »Was hältst du davon, wenn du uns etwas zu trinken machst?«, schlage ich vor. »Ich schaff das Zeug schon alleine hoch.« Bernadette reißt die Augen auf. »Wirklich?« Sie sieht mich mit einer so komischen Mischung aus Erleichterung und schlechtem Gewissen an, dass ich kichern
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