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PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium

Titel: PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
Autoren: Frank Borsch
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Erwachsene, keine Gleiche im Kreis der Krieger, wie das leere Peitschenholster an ihrer Hüfte bezeugte. Sie würde sich erst bewähren müssen, einen Feind bezwingen, ihm das Leben aus den Knochen saugen oder etwas Vergleichbares leisten.
    Etor-tai schien nichts von ihrer Anwesenheit zu spüren. Die alte Frau arbeitete mit stiller Hingabe an ihrem Menschbild. Immer, wenn sie sich streckte, um eine bestimmte Stelle in Augenschein zu nehmen oder
    ein neues Teil an das Menschbild anzupassen, straffte sich die sonnenverbrannte, runzlige Haut auf ihrem Nacken und Arm und gab den Blick auf straffe Sehnen und Muskeln frei. Als sie noch jung gewesen war, hieß es, hatte kein Lebender die Peitsche so geschickt und mit derart tödlicher Schnelligkeit und Präzision geführt wie Etor-tai.
    Argha-cha hatte noch nie erlebt, wie ihre Großmutter die Peitsche züngeln ließ. Manchmal, wenn das eine oder andere Mitglied des Clans Argha-chas Stolz verletzt hatte, wünschte sie sich, dass Etor-tai die Riemen für sie sprechen ließe. Aber meist verging Argha-chas Wut ebenso schnell wie sie aufgeflammt war und sie bereute ihre Gedanken.
    Jedes Kind wusste, dass das Knallen der Peitschen unumkehrbar Tod und Verheerung bedeutete - und diese gebührten den Feinden des Clans. Verließen die Mongaal den Pfad der Einheit, würden sich ihre Feinde zusammenrotten, sie unerbittlich jagen und die Mongaal auf einem Scheiterhaufen verbrennen, der die gesamte Galaxis in sein Licht tauchen würde.
    »Es ist spät, Argha-cha. Wie lange willst du noch auf der Schwelle unseres verblichenen Triumphs stehen und mir Löcher in den Rücken starren?«
    Das Mädchen schreckte hoch. Sie taumelte zurück und wäre hingefallen, hätte der Energieschirm sie nicht aufgehalten, der das Zelt der Vorreiterin wie eine unsichtbare Glocke umgab.
    Etor-tais Zelt war eine Festung, um das sich die Behausungen der Mongaal drängten.
    Jede Nacht, wenn der Clan sein Lager aufschlug, brach aufs Neue der Wettbewerb aus, das eigene Zelt möglichst nahe an dem der Vorreiterin aufzustellen. Je kürzer der Abstand, desto mehr galt das Wort des Betreffenden bei der Vorreiterin, so glaubte man im Clan. Argha-cha verzichtete auf diese Ehre - die viele ihr nur zu gerne eingeräumt hätten, um sich Etor-tai auf dem Umweg über ihre Lieblingsenkelin gewogen zu machen - und begnügte sich für ihr kleines Zelt mit einem Platz in dem Niemandsland, das sich zwischen den Zelten der Krieger und denen der Hirten-Sklaven erstreckte.
    Das Mädchen glaubte den Geschichte-Erzählern, die beredt von dem Unglück jener Zeugnis gaben, die sich allzu eifrig in den Mittelpunkt gedrängt hatten.
    »Komm schon!« Etor-tai winkte sie heran, ohne sich von dem Menschbild abzu wenden. Zwischen den Fingern ihrer Großmutter glaubte das Mädchen einen winzigen Knochen wie den eines Vogels zu erkennen. Oder war es ein Mikrobauteil aus Spezialplastik?
    »Komm rein!«
    Argha-cha folgte der Aufforderung. Sie fragte sich, wie ihre Großmutter sie bemerkt hatte. Argha-cha war noch keine Kriegerin, aber man hatte sie von Kindesbeinen auf ihre Bestimmung vorbereitet, und einen Krieger wurde als Erstes gelehrt, sich unbemerkt dem Feind zu nähern. Argha-cha war die lautlose Bewegung bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Dennoch war Etor-tai ihre Anwesenheit nicht entgangen. Das Gefechtssystem des Clans schenkte ihr eine Wahrnehmung, die in ihrer Schärfe und Spanne die einer gewöhnlichen Kriegerin weit übertraf.
    Argha-cha betrat das Zelt. Es umschloss lediglich einen kleinen, niedrigen Raum. Die Bahnen aus Sturmtierleder liefen, von Stahlstangen gestützt, in flachem Winkel aufsteigend der Mitte entgegen und bildeten dort ein Loch, durch den der Rauch des Feuers in der Zeltmitte abziehen konnte. Argha-cha war keine große Nodronin - und mit ihren vierzehn Jahren noch längst nicht ausgewachsen -, aber selbst sie zog unwillkürlich den Kopf ein.
    Als kleines Kind, als ihre Großmutter sie noch auf den Schoß genommen hatte, hatte sie Etor-tai einmal gefragt, wieso sie so ein schäbiges Zelt besaß. Wieso sollte die Frau, die den Clan führte, deren Wort selbst über dem Gesetz stand, sich mit einem Zelt begnügen, dessen Inneres an die traurigen künstlichen Höhlen der Seßhaften erinnerte?
    Etor-tai hatte ihr geduldig geantwortet, wie sie auf alle Fragen ihrer Enkelin, selbst die naivsten, geantwortet hatte.
    Sie hatte Argha-cha davon erzählt, wie ihre Vorfahren über die Ebenen der Urwelt gezogen waren,
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