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PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

Titel: PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
Autoren: Christian Montillon
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geweiteten Augen an, das Gesicht eine unbewegliche Maske. In der Hand hielt sie am schlanken Ende zwei leere Flaschen.
    Glasflaschen.
    »Geht!«, verlangte sie kalt.
    Tschubai verstand das chinesische Wort. »Sprichst du Englisch?«
    »Geht!«, wiederholte sie, diesmal auf Englisch, und trat um die Ecke. Sie schaute die beiden Mutanten unverwandt an, hielt die Flaschen in den ausgestreckten Händen vor der Brust. Allen war klar, dass sie ebenso gut mit einer Waffe zielen könnte. Nur dass Ailin die Munition in einer Stadt wie dieser nie ausging. Sie verfügte sozusagen überall über ein Waffendepot ...
    »Du hast gesehen, auf welche Art es uns gelungen ist, aus dem Innenhof zu fliehen«, sagte Ras Tschubai. »Wir verstehen dich. Wir sind wie du.«
    »Lüge!« Ailins ebenmäßige Gesichtszüge verzerrten sich. Ihre Haut war blass, die Lippen grellrot geschminkt. Die Tusche um die Augen war verschmiert von Tränen. »Niemand ist wie ich.« Ihr Englisch klang nahezu akzentfrei.
    »Lass uns dir ...«, setzte Stagge an, doch weiter kam er nicht.
    Die Flaschen in der Hand der Chinesin zerplatzten. Einige Scherben blieben in der Luft schweben und richteten sich auf die beiden Männer aus. Die gezackten Bruchstücke der Böden schwirrten wie Wurfsterne daneben.
    Die Flaschenhälse hielt Ailin noch umklammert. Ihre Finger zitterten. »Geht!«, wiederholte sie.
    »Wir sind nicht deine Feinde«, sagte Tschubai, äußerlich ruhig, während sich sein Magen und seine Gedärme in eine weiche, breiige Masse zu verwandeln schienen. Er spürte, wie an seinem Haaransatz Schweißtropfen perlten, und das gewiss nicht wegen der drückenden Hitze zwischen den Häusern.
    Im selben Moment trat Olf Stagge seinem Begleiter in die Kniekehlen, schrie: »Deckung!«, verschwand, stand plötzlich hinter der Chinesin und hämmerte ihr die zusammengelegten Fäuste in den Nacken.
    Da lag Ras Tschubai schon auf dem Boden. Die Flaschenböden zischten über ihn hinweg. Scherben prasselten als gläserner Regen nieder, doch einen Meter vor ihm und völlig ungefährlich. Ailin sackte in sich zusammen und hing im nächsten Moment schlaff in Stagges Griff.
    »Verschwinden wir von hier«, sagte der Norweger, berührte Tschubai und teleportierte mit ihm und der Chinesin, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan.
     
    Stagge brachte sie mit einer Punkt-Teleportation exakt zu ihrem geparkten Wagen, der in einer Seitenstraße stand, am Ende einer Sackgasse, wohin sich außer den Bewohnern niemand verirrte. Es war nicht einfach, die ohnmächtige Chinesin auf den Rücksitz des Autos zu verfrachten. Danach galt es, fast acht Kilometer durch die Stadt zu fahren. Der Norweger saß neben Ailin, achtete peinlich genau auf jedes Lebenszeichen.
    Wie war die Situation nur so außer Kontrolle geraten? Sie entführten die Mutantin, als wäre sie eine Verbrecherin. Allerdings hatten sie auch nicht damit gerechnet, dass Ailin sie derart rigoros angriff.
    »Was tun wir, wenn sie aufwacht?«, fragte Stagge.
    »Du musst dich darum kümmern.«
    »Du willst, dass ich sie noch mal ...«
    »Tu, was getan werden muss!«, forderte Tschubai, auch wenn ihm der Gedanke gar nicht gefiel. Seine Hände krampften sich um das Lenkrad. Alles war aus dem Ruder gelaufen. So hatte er sich das gewiss nicht vorgestellt. Ailin zu betäuben und zu entführen hatte zu keiner Sekunde auf ihrem Plan gestanden. Dennoch musste der Afrikaner zugeben, dass sein Begleiter rasch und konsequent improvisiert hatte ... und durchaus erfolgreich. Immerhin lebten sie noch.
    Und das war mehr, als man nach der ersten überraschenden Attacke hätte erwarten können.
    Wenn Ailin zu sich kam, würde sich das allerdings sehr schnell ändern. Die Scheiben des Wagens bestanden aus Glas. In den Häusern rundum gab es Dutzende, Hunderte von potenziell tödlichen Waffen, die die Mutantin gegen sie zu nutzen vermochte. Und jede Diskussion darüber, dass Ras Tschubai und Olf Stagge nicht als Feinde, sondern als Freunde gekommen waren, erübrigte sich inzwischen von selbst. Ailin würde ihnen kein Wort glauben.
    Die Ampel vor ihm schaltete auf Rot; statt zu bremsen, gab der Teleporter Gas und raste über die Kreuzung. Ein Fahrradfahrer wich ihm schlingernd aus.
    Ihr Ziel bildete eine alte Lagerhalle in einem Hafengelände des Ciliwung-Flusses ...
    ... oder zumindest etwas, das von außen wie eine Lagerhalle aussah.
    Tatsächlich handelte es sich um eine der Zentralen des indonesischen Geheimdienstes BIN, die sich im
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