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PR 2706 – Sternengrab

PR 2706 – Sternengrab

Titel: PR 2706 – Sternengrab
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Wissenszuträger, die darauf warteten, in seine Mundhöhle vorgelassen zu werden und Berichte an die dem Kiefer anoperierte Mikropositronik abzuliefern.
    »Du benötigst meine Hilfe, Reginald Bull?«, fragte der Ara, ohne sich umzudrehen.
    »Falsch, Kendrest: Ich erwarte, dass du mir hilfst. Es ist deine Pflicht.«
    Der Ara drehte sich um. Er bot ein gewöhnungsbedürftiges Bild: Aus dem Mund ragten mehrere haardünne Kabel, die mit Gerätschaften auf dem Tisch vor dem Mediziner verbunden waren.
    »Ich vergesse immer wieder die seltsamen Gepflogenheiten an Bord eines LFT-Schiffs«, sagt Kendrest. »Wäre ich selbstständiger Mediker, müsste ich auf derlei hierarchische Befehlsstrukturen keinerlei Rücksicht nehmen.«
    Er entblößte die Reste seines silbernen Gebisses, wohl um etwas wie ein Lächeln zu versuchen. Es war ein Anblick, auf den Bull nicht unbedingt Wert legte.
    »Du hast dich nun mal für weitere acht Jahre verpflichtet, Kendrest. Ich schätze deine Arbeit wirklich sehr, aber ich wäre froh, würdest du endlich einmal deine kleinen Spielchen bleiben lassen.«
    »Kleine Spielchen? Ich hatte eine großartige Karriere auf einem intergalaktischen Gemeinschaftsraumer vor mir, habe mich dann aber breitschlagen lassen, eine elend bezahlte Arbeit in diesem erbärmlich schlecht ausgerüsteten Kahn anzunehmen.«
    »Wir beide wissen, dass das nicht stimmt. Du hattest gehörige Probleme am Hals, als ... Aber lassen wir das.« Bull sammelte seine Gedanken. »Du hast die Unterhaltung zwischen dem Marshall und mir verfolgt?«
    »Selbstverständlich.«
    »Wie ist dein Eindruck vom Onryonen?«
    »Solltest du eine fundierte Stellungnahme haben wollen, musst du dich einige Stunden gedulden ...«
    »Sag mir aus dem Bauch heraus, was du denkst.«
    Es war dem Ara anzusehen, dass ihm jegliche Form von Improvisation zuwider war. »Caileec Maltynoucs Selbstsicherheit ist nicht vorgespielt, sie ist echt«, sagte der Psychologe. »Er fühlt sich im Recht. Er sieht sich als Vertreter einer übergeordneten moralischen Instanz, deren Kompetenz er niemals anzweifeln würde.«
    »Wenn er also die Übergabe der JULES VERNE fordert, ist das sein bitterer Ernst und kein Ablenkungsmanöver?«
    »So ist es.«
    »Was hältst du von diesem Emot?«
    »Das Organ ist nur leidlich interessant. Ich habe zwischenzeitlich zumindest zwanzig Milchstraßenvölker ausfindig gemacht, die über ähnliche emotionsdarstellende Organe verfügen.«
    »Und was hältst du von Maltynoucs Ausdünstungen?«
    »Ausdünstungen?« Kendrest beugte sich zu Bull hinab. »Was für Ausdünstungen?« Er war für einen Ara lächerliche zwei Meter groß, überragte Bull damit aber immer noch um einen Kopf.
    »Ich rede von Gerüchen, die er absondert. Sie veränderten sich während unserer Unterhaltung immer wieder. Ich vermute, dass du den olfaktorischen Faktor gemeinsam mit der Funktion des Emot analysieren musst. Die Analyseroboter im Aufenthaltsraum des Onryonen werden dir sicherlich bald ihre Ergebnisse zur Verfügung stellen.«
    »Düfte, die mit der Mimik des Emot in Zusammenhang stehen. Dazu kommen die Körpersprache, die Modulation der Stimmlage, ein ausgeprägtes Sprachgefühl, mit dem Maltynouc das Interkosmo verwendet, eine auditive Empfindlichkeit weit übers Normmaß hinaus ... Der Marshall verfügt über ein hochkomplexes Sinnesrepertoire. Um dessen Potenzial vollends ausschöpfen zu können, benötigt er einen hellen Verstand.« Kendrest nickte. »Dieser Mann ist höchst gefährlich. Er durchschaut dich ganz gewiss. Er spielt mit dir und versucht dich zu beeinflussen. Was dort drin geschehen ist, ist für ihn ein Spiel. Eines, auf das er ausgezeichnet vorbereitet ist.«
    »Wie ich’s vermutet habe.« Bull nickte. »Danke! Du hast mir sehr geholfen.«
    »Du musst auf der Hut sein, wenn du dich mit ihm unterhältst. Für ihn ist Sprache bloß der winzigste Teil einer Unterhaltung.«
    »Ich werde daran denken.« Bull blickte auf die Uhr des Armbandkoms. Er musste in die Zentrale, so rasch wie möglich. Er verließ das Labor des Aras, hastete an – ungewöhnlich vielen – Patienten vorbei, grüßte en passant Aranson Barber und verließ die Medostation.
    Caileec Maltynouc musste warten. Er war bloß eines von vielen Problemen.
     
    *
     
    In der Zentrale der JULES VERNE herrschte jene professionelle Unaufgeregtheit, die Bull so sehr schätzte. Trotz der erschwerten Flugbedingungen, der vielfältigen Bedrohungen und der Gefahr, von einem Schiff der Onryonen
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