Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

Titel: PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
das fehlende Antigravtriebwerk ist ein deutliches Handicap, doch wie oft habe ich den von der Flotte ausgemusterten Flugpanzer tatsächlich genutzt?
    Zweimal war ich mit dem goldfarbenen Veteranen in Cape Halia und habe den Laderaum mit Versorgungsgütern vollgestopft.
    Einmal bin ich die vierzig Kilometer bis zu den aufgelassenen Probebohrungen gefahren. Das Kraterfeld dort ist für mich seitdem einer der faszinierendsten Plätze im Sonnensystem. Geheimnisvoll, einsam und von einer überwältigenden Zeitlosigkeit.
    Tief hat sich der Anblick der aufgebrochenen Felsformationen, der teils ineinanderliegenden kleinen Einschlagskrater und der mit dunklem Staub bedeckten schrundigen Eisflächen in mir eingebrannt. Erdrückend dazu der riesige blaue Gasball Neptuns mit seinem fahl erkennbaren Ringsystem, wie er halb über dem Horizont stand. Ein berauschender Hintergrund, der Tritons schroffe Geländeformationen erst richtig zur Geltung brachte. Daneben das helle Band der Milchstraße, mit bloßem Auge erkennbar einige Sternhaufen und Dunkelwolken.
    Ich hätte tagelang an diesem Ort verweilen können. Triton mag eine vermeintlich tote und lebensfeindliche Welt sein – für mich ist zumindest jener kleine Bereich auf der Oberfläche des Mondes ein Paradies, ein erhebender Anblick.
    Wer die Schöpfung in ihrer üppigen Vielfalt im winzigen Genom wie in den gigantischen Filamenten nicht zu schätzen weiß, wird mich nicht verstehen.
    Ich habe erkannt, wie klein und bedeutungslos ich bin. Obwohl ich mir eingebildet habe, mit meiner künstlerischen Ader Leben kreieren zu können.
    In den wenigen Stunden, die ich am Rand des Kraterfelds verbrachte, wurde mir erstmals bewusst, was es wirklich heißt, der Schöpfung nahe zu sein. Ich konnte spüren, dass da sehr viel mehr ist, als uns das Zwiebelschalenmodell suggeriert mit seiner Kategorisierung von Leben und Intelligenz.
    Seit das Sonnensystem verschleppt wurde und der Himmel nur noch tiefschwarz erscheint, war ich nicht wieder dort draußen.
    Der Shift dröhnt über aufgebrochenes Eis. Tritons Oberfläche ist nicht statisch, selbst wenn es diesen Anschein haben mag. Überall herrscht Bewegung. Vor allem die von der Sonne beschienene nördliche Region weist eine Fülle kryovulkanischer Aktivitäten auf. Dass Sol nicht mehr scheint, hat bislang nichts an den Eisvulkanen verändert. Der Zerfall radioaktiver Elemente im Gesteinskern des Mondes verursacht die Ausbrüche verdampfenden Stickstoffs und Methans aus Spalten und Verwerfungen. Mitunter brechen sich die Eiseruptionen mit ohrenbetäubendem Lärm ihre Bahn.
    »Schön«, sagt Irp. Er kauert auf der Konsole des Kopiloten und blickt stur nach draußen.
    Die Frontscheinwerfer entreißen bizarre Formationen der ewigen Nacht. Ich fürchte, dass der grelle Lichtschein bis hoch in den Orbit zu sehen sein muss. Falls irgendwo Zapfenraumer sind ...
    Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln schiebe ich die Zweifel weit von mir. Neptun war nie interessant genug, warum sollte sich das geändert haben?
    Seit zehn Minuten halte ich Ostkurs. Die Ortung des Fahrzeugs, soweit sie nicht wie der Antigrav bei der Ausmusterung ausgebaut wurde, hat keine große Reichweite. Schon gar nicht angesichts des schroffen, unübersichtlichen Geländeprofils. Flügellahm kriecht der Shift über den Boden, dabei können Gefährte wie er sogar in den Weltraum vorstoßen.
    In einem Bereich von wenigen Dutzend Kilometern vor uns muss die Rettungskapsel niedergegangen sein.
    Ein einsamer Ausschlag huscht über die Anzeigeskala.
    Ich kann nicht erkennen, was es ist, und es gibt keine Aufzeichnungsfunktion. Jetzt, da ich darauf warte, dass sich die Erscheinung wiederholt, bleibt die Linie unbewegt. Wahrscheinlich habe ich mich getäuscht.
    Nach neunzig Sekunden schlägt die Anzeige erneut aus, diesmal stärker als zuvor.
    Ich warte eineinhalb Minuten. Da ist es wieder. Ein schwacher Funkimpuls, der höchstens über wenige Kilometer zu empfangen ist. Jedenfalls nichts, was auf den Notsender einer Rettungskapsel schließen ließe; jeder Schiffbrüchige ist darauf angewiesen, dass er über Lichtminuten hinweg geortet werden kann. Wahrscheinlich stammt der Sender von einem Arbeitstrupp.
    »Was ist da?«, fragt Irp heftig.
    Ich sage es ihm. Er taxiert mich mit seinen roten Arkonidenaugen, als löse er meinen Schutzanzug Schicht für Schicht ab. Eigentlich starrt er durch mich hindurch. Ein eisiger Schauder rast mein Rückgrat hinab.
    »Ein Schöpfer ist allwissend?«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher