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PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen

PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen

Titel: PR 2680 – Aufbruch der Unharmonischen
Autoren: Arndt Ellmer
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Rücken des Anzugs integrierte Tasche öffnete sich. Der Fallschirm schoss heraus, die Leinen strafften sich. Zehn Meter über Draupadi entfalteten sich die grünen und gelben Bahnen mit den schwarzen Zacken seiner Hüpferstaffel. Der Luftdruck bauschte sie auf, der plötzliche Ruck schien Draupadi auseinanderzureißen.
    Die schwarzen Zacken wurden weniger. Eine Weile behielt er den Kopf im Nacken, bis er sie als das identifizierte, was sie waren: Risse im Stoff, Löcher, durch die er das Blau des Himmels sah.
    Die Risse erweiterten sich unter der starken Belastung. Draupadi versuchte durch geschicktes Steuern einen Teil des Luftdrucks aus dem Schirm zu nehmen, aber da war nichts mehr zu machen. Zwei Bahnen rissen auseinander, der Fallschirm fiel in sich zusammen und verwirbelte zu einer Art Wurst aus Stoff und Leinen, die wie ein Haltegriff über ihm hing.
    Aus und vorbei! Aus dieser Lage konnte er sich aus eigener Kraft nicht befreien. Nicht in Sekunden.
    Ein kleiner Trost wenigstens – das gefrorene Bein taute langsam auf.
    Ich muss das Escaloor vernichten! Das Gerät, mit dessen Hilfe ein Unharmonischer seinen Artgenossen den »Geruch« eines Harmonischen vorgaukeln konnte, durfte nicht in fremde Hände fallen, schon gar nicht in die eines Harmonischen. Es hätte alle Nicht-Harmonischen in Escalian gefährdet. Die Opposition im Reich der Superintelligenz TANEDRAR hätte einen schweren Rückschlag erlitten.
    Es durfte nicht sein. Draupadi kannte die Zusammenhänge nicht, aber jeder Jyresca befolgte die scharfen Vorschriften der Organisation im Umgang mit den Geräten.
    Gleich schlage ich auf! Das Escaloor steckte in seinem Anzug. Wenn er den Mechanismus zur Selbstzerstörung auslöste, tötete er sich selbst.
    Aber es spielte keine Rolle, wie er starb. Jetzt nicht mehr.
    »Falls ihr mich inzwischen hören könnt«, sagte er in das Funkgerät, »behaltet mich in Erinnerung. TANEDRAR ruft mich.«
    Das hätte jeder Harmonische so oder ähnlich formuliert. Draupadi behielt seine Tarnung bis zum Schluss bei. Als Unharmonischer besaß er keinen Splitter von Geburt an. TANEDRAR hatte ihm kein Geschenk gemacht, sondern ihn aus der Sicht der Harmonischen höchstens verflucht. Draupadi rechnete folglich nicht damit, dass die Superintelligenz ihm in dieser finalen Situation Beistand leistete.
    Der Schatten einer Wolke fiel auf ihn. Hartnäckig begleitete sie ihn auf den letzten Metern seines Lebens. Die Bäume und Felder lagen zum Greifen nah unter ihm, er streckte instinktiv die Arme aus. Ein Gefühl von Leichtigkeit erfasste ihn, ein völlig subjektiver Eindruck und ein Zeichen des nahenden Todes. Er erlebte jeden Augenblick wie in Zeitlupe, als wolle er diese letzte Phase seines Lebens besonders intensiv genießen.
    Unter ihm war Wald, dem er sanft entgegenschaukelte. Irgendwann stutzte er, wandte den Kopf und suchte nach der Wolke, deren Schatten ihn noch immer begleitete. Es gab sie nicht.
    Ich halluziniere! , stellte er fest. Dieser Absturz war nicht das, was er sich darunter vorstellte. Sanft schwebte er abwärts, die Wipfel zum Greifen nahe. Er versuchte, Äste zu fassen, aber sie waren zu weit entfernt. Fassungslos starrte er an sich hinab auf die Stiefel, die Augenblicke später das Gras einer kleinen Lichtung berührten.
    Merveres Draupadi stand mit beiden Beinen auf dem Boden. Sein Gehirn und der Gleichgewichtssinn im Innenohr kapierten es nicht. Er konnte sich nicht auf den Beinen halten und fiel ins Gras.
    Er war tot, daran zweifelte er keinen Augenblick. Alles andere war Einbildung – der Schatten, der in der Nähe zu Boden sank, die Insekten und Vögel, die Reißaus nahmen, die Gräser und Pilze.
    Was war das? Eine Nahtoderfahrung? Ein letztes Aufflackern des Bewusstseins im Augenblick des Todes? Oder hatte TANEDRAR ihn doch zu sich geholt, und er war jetzt im Paradies?
    Aus Gewohnheit öffnete er den Helm, roch den würzigen Duft der Gräser und Pilze. Die Halme neigten sich leicht im Wind. Es konnte unmöglich Einbildung sein. Probeweise strich er mit den Handschuhen über das Gras. Die Halme luden sich elektrostatisch auf.
    Es war nicht das Paradies, auch keine Halluzination. Er war zurück auf Corvonac. Etwas hatte seinen Sturz gebremst und ihn sanft auf der Oberfläche abgesetzt.
    Draupadi hielt nach dem Schatten Ausschau und fand ihn im Gras.
    »Ihr könnt das Sichtschutzfeld abschalten«, sagte er in sein Funkgerät.
    Es erlosch, kaum dass er ausgesprochen hatte. Der Form nach war es ein Baobgleiter,
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