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PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo

PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo

Titel: PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ihn gerichtet.
    »Das bin ich«, antwortete Fogga. Er gab sich demütig. So, wie es von ihm erwartet wurde. Er verzichtete darauf, den Obersten auf die falsche Wortwahl hinzuweisen. Er war kein Fanatiker, sondern bestenfalls ein Besessener.
    »Er bezeichnet dich als außergewöhnliches Talent und meint, du könntest in nahezu jedem Bereich des kulturellen Betriebs bestehen. Als Dirigent, Poet, Philosoph, selbst als Gespinstenweber im chalkadaweiten Datenverkehr, der aus virtuellen Übertragungen Gefühlsbilder erzeugt. Stimmt das?«
    »Meine Interessen sind breit gestreut, und ich bin dank der Rücksicht meines Halters in der Lage, mich fast ausschließlich um die Erweiterung meiner Kenntnisse kümmern zu dürfen.«
    »Warum redest du so blasiert?«
    Fogga ließ sich nicht irritieren. Er hatte von der groben Art Tion Youlders gehört. »Worte können Kunst sein. Sprache ist ganz gewiss eine Kunst. Die Angehörigen der meisten intelligenten Völker benötigten Tausende Jahre, um ihre Sprachkenntnisse so weit zu entwickeln, um all das in Worte fassen zu können, was für ein vernünftiges Zusammenleben notwendig war.
    Doch die Kunst, die in der Sprache steckt, findet sich nicht an dieser Oberfläche. Sie ist hinter- und vorder- und tiefgründig, aber auch banal. Sie dient dem Dichter – und sie schadet dem Despoten.«
    Er brach ab. Er wagte viel; doch wenn er den Obersten Herrn richtig einschätzte, würde er sich selbst nicht angesprochen fühlen.
    »Wen zitierst du da?«, fragte Youlder neugierig. Er schleuderte ein Stück Fleisch von sich, die Falciden stürzten sich gierig darauf. Ein Gerangel entstand, bei dem Blut floss.
    »Einen Bühnendichter namens Carosan Barnas aus dem Volk der Eimal.«
    »Wir haben die Eimal ausgerottet, nicht wahr?«
    »Vor etwa vierhundert Jahren.«
    »Die schönen Worte haben deinem Bühnendichter also nicht allzu viel geholfen.«
    »Verzeih, dass ich widerspreche, Oberster Herr. Doch er und seine Worte leben in mir weiter und in den Köpfen vieler anderer kunstsinniger Wesen dieser Galaxis.«
    »Ich könnte eine Kampagne starten und jedermann töten lassen, der jemals den Namen dieses Carosan Barnas gehört hat.«
    »Natürlich könntest du das. Aber ist es den Aufwand wert?«
    »Womöglich? Die Kritik in diesen Dichterworten ist nicht zu überhören, und sie richtet sich gegen mich. Kunst nimmt sich stets viel zu viel Freiheit heraus. Ich stehe ihr sehr misstrauisch gegenüber.«
    »Du würdest jene umbringen, die Carosan Barnas verinnerlicht haben – aber nicht die Worte an und für sich. Und das ist die wahre Kunst in der Sprache: Sie ist stets präsent. Manchmal zeigt sie sich, oft verbirgt sie sich und muss erst gefunden werden.«
    Youlder betrachtete ihn sinnend. Er hielt seine Kapuze nun so, dass Licht sein Gesicht beleuchtete und die markanten Gesichtszüge deutlich hervortreten ließ. Er schämte sich nicht für sein Aussehen, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Oraccameo.
    »Welche ist deine liebste Kunstrichtung?«, wechselte der Oberste Herr das Thema.
    »Sie sind mir alle lieb und wert ...«
    »Ich will eindeutige Antworten!« Die Falciden reagierten augenblicklich auf die nun ungeduldig klingende Stimme Youlders. Sie hoben die schmalen Köpfe mit den überbreiten Gebissen und sahen sich wachsam um, bis ihre Blicke an Fogga hängenblieben.
    Es stimmte also: Die Falciden verfügten über einen feinen Instinkt, vielleicht sogar so etwas wie Empathie. Und sie hatten einen Herrn, dem sie bedingungslos gehorchten. Auf Befehl würden die gedrungenen armlangen Geschöpfe herangelaufen kommen, um über ihn herzufallen und ihn zu zerfleischen. Dass für diesen Zweck der Schutzschirm fallen würde, stand außer Frage.
    »Ich liebe die Bühne«, sagte Fogga. Er blieb beherrscht, wie immer. »Stücke, die für eine Aufführung geschrieben wurden, mögen überzogen wirken und kaum etwas mit der Realität gemein haben. Doch in ihnen steckt stets ein Kern Wahrheit, und es ist eine ungemein aufregende Sache, die Intentionen des Künstlers zu durchschauen.«
    »Das klingt unverfänglich.« Youlder nickte. »Fürchtest du dich vor mir? Davor, dass ich dich für defätistische Ansichten zur Rechenschaft ziehe?«
    »Ja.« Warum sollte er es leugnen? Er liebte sein Leben.
    »Du bist ein kluger Mann, der weiß, wann er reden und wann er schweigen soll. – Und du weißt wirklich nicht, woher du kommst und wer deine Vorfahren sind?«
    »Nein, Oberster Herr. Ich bin Strandgut und wurde auf einer
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