Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2673 – Das 106. Stockwerk

PR 2673 – Das 106. Stockwerk

Titel: PR 2673 – Das 106. Stockwerk
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
ein schwarzer Stern ohne Leuchtkraft, ohne Wärme. Am 30. September hatten die Spenta das Zentralgestirn gelöscht und damit eine Katastrophe für Terra heraufbeschworen; nun zeigte der Kalender bereits den 1. Dezember, aber Sol war nach wie vor äußerlich tot.
    Eine erloschene Sonne ...
    Die meisten Terraner hatten sich mittlerweile damit abgefunden, dass ihre Heimat ohne den Pulk der eigenen Kunstsonnen längst zum Eisblock erstarrt und alles Leben an der Oberfläche unmöglich geworden wäre.
    Damit abgefunden ... das ist etwas völlig anderes als daran gewöhnt ...
    Es gab Dinge, an die gewöhnte man sich nie. Sogar solche, die nicht annähernd so bedeutend waren wie eine erloschene Sonne.
    Terrania ertrank im trüben Nachmittag. Ein rötlich düsterer Schimmer überzog den Himmel, als wolle er das Ende aller Tage ankündigen.
    Bull verschränkte die Arme vor dem Leib. Er zwang sich zur Ruhe. Ob er es wahrhaben wollte oder nicht, er dachte immer wieder daran, sich mit der Wut des in die Enge Getriebenen zu verteidigen. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
    Einfach draufschlagen. Als ob wir nichts mehr zu verlieren hätten.
    Wie oft hatten fremde Mächte Terra schon eins auf die metaphorische linke Wange gegeben? Und wie oft hatte die Mutterwelt der Menschheit das nicht nur ertragen, sondern auch noch die rechte Wange hingehalten? Dazu war man einmal in der Lage, sogar ein zweites Mal und öfter, aber irgendwann ...
    Irgendwann läuft das Fass über. Selbst der Friedlichste sucht dann nicht länger nach Lösungen, sondern schlägt zurück. Weil es keine Rolle mehr spielt, ob er den Kampf gewinnt oder verliert. Er muss ganz einfach handeln, will er sich selbst jemals wieder in die Augen sehen.
    Mit einem knappen Kopfschütteln wischte Bully die Feststellung beiseite. So reizvoll der Gedanke sein mochte, etwas zu tun, wusste er genau, wie schnell das in eine Sackgasse führte. Wenn er sich mit so etwas ernsthaft befasste, wirkte er nicht nur auf andere, sondern auch auf sich selbst nur wie ein Verzweifelter.
    Und das würde er nicht zulassen.
    Es blieb dabei: ein Schritt nach dem anderen.
    Der TLD-Tower war das nächste Ziel.
    Er blickte hinaus in das stärker werdende Schneetreiben, in dem plötzlich grün leuchtende Zahlen auftauchten: 1. 4. 0. 0.
    Für einen Moment war er verwirrt, dann erleichtert. Der Servo projizierte die Uhrzeit seines nächsten Termins.
    »Sollen reinkommen«, sagte er in den Raum hinein.
    Dann drehte er sich um, sodass er die Tür genau im Blick hatte. Sekunden darauf öffnete sie sich, und drei Personen betraten das Büro; die ersten beiden selbstsicher und dennoch höflich, harmonisch gemeinsam und gleichzeitig wie um den Vortritt rangelnd. Der dritte hielt sich etwas im Hintergrund. Bull registrierte all das, ohne es zu thematisieren. Die beiden merkten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal, was sie da taten.
    Instinkte ..., dachte Reginald Bull, der Solare Resident.
    Shanda kam auf ihn zu. Die schlanke, hochgewachsene junge Frau nickte knapp. Ihr Blick ging an ihm vorbei.
    »Schnee«, sagte sie. »Wenigstens die Kinder haben Spaß daran. Die meisten Erwachsenen sehen ihn als Sinnbild der Katastrophe.«
    »Zum Glück sind wir nicht so weit, dass Terrania im Schnee versinkt«, widersprach der Resident.
    »Schnee hat etwas Faszinierendes«, sagte der zweite Besucher mit seiner unverkennbaren dunklen Stimme. Er trat mit ein paar schnellen Bewegungen an Bull vorbei und presste die flache Hand gegen die Scheibe. Langsam ließ er die Finger auseinanderwandern, als wolle er die Kälte spüren, die dort draußen herrschte.
    »Delorian schickt mich, wenn auch ohne Geschenkverpackung, Reginald Bull«, sagte er, ohne den Residenten anzusehen. »Er meint, du wirst ihm die fehlende Schleife nachsehen.«
    Shanda Sarmotte ließ sich in den ersten Sessel der kleinen Besprechungsecke sinken. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie ihr scheitellos fallendes glattes Haar hinters Ohr zurück. Ein breites Lächeln erschien auf ihren Zügen, als sie die beiden Männer betrachtete wie ein interessierter Zuschauer. Und genau das war sie ganz sicher nicht.
    »So. Meint Delorian. Ist das so?« Bully kratzte sich an der Schläfe. »So, wie er meint, dass sich das einzige funktionstüchtige Transitparkett und damit die einzige Möglichkeit, ins Herz der Sayporaner vorzustoßen, im Tower des Terranischen Liga-Dienstes befindet?«
    »Ach, Effendi«, sagte Toufec und klopfte ihm auf den Rücken. »Du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher