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PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse
Autoren: Wim Vandemaan
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erkannte, dass es sich um eine Art Rakete handelte, die in diesem Moment sanft und erschütterungsfrei auf dem Platz landete.
    Es war eine schlanke, fragil wirkende Konstruktion. Sie war nicht größer als fünf Meter. Ihr äußerster Durchmesser – am verdickten, unteren Ende, auf dem sie ruhte – konnte nicht mehr als fünfzig Zentimeter betragen. Zur Spitze hin verjüngte sie sich deutlich.
    Die Funkbotschaft geht von der Rakete aus, teilte ihm Puc mit. Du sollst an Bord kommen.
    In diesem Moment schossen aus allen Richtungen Wegscheiben auf den Platz zu, besetzt mit Sayporanern, Zofen und Junkern.
    Lauf!, schrie Puc.
    Routh rannte los.
    Fast unmittelbar spürte er Seitenstechen. Noch nie hatte er so große Schritte gemacht, Sätze, er glaubte den Boden kaum noch zu berühren. Ob ihm das Schemenkleid laufen half?
    Die heranschießenden Wegscheiben nahm Routh nur aus den Augenwinkeln wahr. Er starrte die Rakete an. Wo war der Einstieg? Wann öffnete er sich endlich?
    Die Konstruktion stand da wie ein unbewegliches Monument.
    Sie machen ihre Waffen schussbereit, warnte Puc.
    Er sah die nächsten Sekunden vor sich: wie er mit einem dumpfen, gongartigen, lächerlichen Geräusch gegen die Rakete prallte; wie eine Wegscheibe in nächster Nähe hielt; wie ihn ein Schuss aus einer sayporanischen Energiewaffe traf und das unausdenkbare Mysterium, wie es sei zu sterben, seinen Geist auflöste.
    Keine Armlänge von der Rakete entfernt fühlte er sich jäh der Wirklichkeit entrückt.
     
    *
     
    Er zweifelte keine Sekunde lang daran, dass er sich in der Rakete befand. Wie er hineingelangt war? Er wusste es nicht zu sagen.
    Er war in einem abstrakten, völlig ungegenständlichen Raum. Er sah lichte, unterschiedlich gefärbte Flächen, geometrische Zeichnungen, Skizzen. Alle Flächen strömten und flossen übereinander, durchdrangen und passierten einander, ohne dass die eine die andere verdeckte.
    Ein verklärter Raum, dachte er.
    Obwohl dieser Raum offenbar grenzenlos war, wusste Routh intuitiv, dass er sich in seiner Mitte befand.
    Rings um ihn ragten Gebilde auf, holografische Skizzen. Sie waren himmelhoch, dennoch meinte Routh, sie mit der Spanne seiner Hand umfassen zu können. Allerdings konnte er seine Hand weder sehen noch spüren.
    Das, was du siehst, ist Anboleis, sagte Puc.
    Routh konnte sich bewegen, ohne zu gehen. Er glitt, schwebte, drehte und wendete sich. Gespensterballett, dachte er.
    Mit oder ohne Publikum?, fragte Puc.
    Routh stutzte. Puc hatte recht. Da war etwas – oder jemand: eine aufmerksame, gespannte Präsenz, nicht böse, eher reserviert.
    »Wer ist da?«, fragte Routh – was immer fragen an einem Ort wie diesem bedeutete.
    Die Präsenz wurde deutlicher, ohne eine Kontur anzunehmen. Sie leuchtete nun aus den Skizzen hervor.
    Dieser Jemand sagte: »Es muss ungewohnt sein für dich. Du befindest dich in Suspension.«
    »In Suspension?«
    »Deine Materialität ist aufgehoben, suspendiert. Stell es dir als einen stationären Transmitterprozess vor.«
    »Wo bin ich?«, wollte Routh wissen.
    »An Bord der ANÄIRY. Meines Raumschiffs.«
    »Und wer bist du?«
    Das körperlose Gegenüber, das überall war, zeigte sich erheitert. »Wen hast du denn erwartet? Ich bin Chourtaird. Dein Ziehvater.«
     
    *
     
    Blitzartig wurde Routh klar: Wenn dies die Raumschiffe der Sayporaner waren – dann erschien es nicht unbedingt erstaunlich, dass die terranische Flotte nichts von der Invasion der Auguren bemerkt hatte: Die Schiffe unterliefen durch ihre minimale Größe die Aufmerksamkeitsschwelle.
    Natürlich wollte Routh wissen, warum Chourtaird ihn nicht mithilfe dieser ANÄIRY nach Anboleis gebracht hatte. Hatte sein Ziehvater ihn prüfen wollen?
    Oder – interessanter Gedanke – hatte Chourtaird ihn als Spion nach Anboleis geschickt, was mit dem Schiff nicht möglich gewesen wäre, das zweifellos von den Herren von Anboleis entdeckt worden wäre?
    Und: Wenn Chourtaird mit seiner Landung in Anboleis ein Gesetz übertreten hätte – wohin würde er dann mit Routh fliegen?
    Aber der greise Sayporaner schwieg auf seine Fragen.
    Allmählich sah Routh die abstrakte Darstellung ein. Die Formen – die einander überschneidenden, konzentrischen oder nicht konzentrischen Sphären, die ineinander verschachtelten Kuben, die durchscheinenden Flächen mit ihren farblich abschattierten Zeichnungen – begannen Sinn zu ergeben.
    Kolonnen von Schrift- oder Zahlzeichen, dreidimensionalen Chiffren zogen durch das Bild wie in
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