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PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

Titel: PR 2630 – Im Zeichen der Aggression
Autoren: Marc A. Herren
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normal?«, fragte jemand aus der Sippe. »Das kann nicht normal sein. Bei unserem Nachwuchs war ...« Der Rest des Satzes ging in einem Gurgeln unter.
    Seran atmete tief ein und aus. Nur wenn sie geistig und körperlich ausgeglichen war, würde es ihr gelingen, die Ogokoamo-Ausdünstungen zu absorbieren. Sie spürte, wie es ihr die Kehle zuschnürte; ihr Inneres zog sich zusammen, bildete angesichts der unkontrolliert über sie rollenden Panikwellen schmerzhafte Klumpen.
    Aufgabe der Ogok-Azacho war es, die Panik-Ausdünstungen von Neugeborenen aufzusaugen, deswegen bezeichnete man sie schließlich als Schreckensammen. Bei neun von zehn Geburten waren die Ausdünstungen dermaßen schwach, dass nicht einmal die Schreckensammen etwas davon mitbekamen und die Ängste im Trubel der Geburtsgefühle einfach verschwanden.
    Gerade bei Kindern, die ein paar Tage zu spät geboren wurden, stieg die Gefahr, dass es zu unkontrollierten Panikausbrüchen kam.
    Bevor es Schreckensammen gegeben hatte, kamen durch solche Ausbrüche ganze Höhlengemeinschaften zu Tode. Erst als Dosanthi die Fähigkeit des Azacho entdeckt und entwickelt hatten, gelang es ihnen, die gefährlichen Ausdünstungen des Ogokoamo wie Schwammmoos in sich aufzusaugen und zu verdauen. Eine Tätigkeit, die ebenso verwirrend wie schmerzhaft sein konnte – den Ammen in den gesamten Siedlungen aber viel Anerkennung und Respekt einbrachte.
    Hola stöhnte. »Ich schaffe es nicht. Es ist zu viel Ogokoamo. Ich kann nicht alles ...«
    »Etwas stimmt nicht«, flüsterte Seran so leise, dass Alia es hoffentlich nicht hören konnte. Die Traumbilder der brüchigen Wand kamen ihr wieder in den Sinn. Das Ungeheuer, das aufgewacht war und sich tatendurstig geschüttelt hatte. »Das All hat sich gegen uns verschworen.«
    »Was sagst du da?«, gab Hola zurück. Ihre Stimme bebte vor Furcht.
    »Nichts. Konzentrier dich. Wir müssen Alia helfen.«
     
    *
     
    Alia hörte jedes Wort, das die beiden Ogok-Azacho hinter ihr wechselten. Ihr Herz schlug wie verrückt vor Angst. Sie begrüßte den Schmerz wie einen alten Freund; er übertünchte ihre furchtbaren Gedanken und das Grauen, das sie durchschüttelte.
    Alia spürte die Hände der beiden Ammen an ihrem Unterleib. Sie massierten und kneteten ihr Reb'ak, damit sie sich entspannte und das Kind einfacher durch die enge Öffnung schlüpfen konnte.
    Alia roch die Zeichen der Angst. Sirran und die anderen Familienmitglieder, die irgendwo um sie herum standen, stanken nach der von Hormonen und Enzymen getränkten Lamellenflüssigkeit. In der Aufregung der frühgeburtlichen Wehen hatten sie vergessen, sich mit Deckstoffen einzureiben.
    Eisige Kälte stieg in der Dosanthi auf, ließ ihr Inneres gefrieren. Ansatzlos verwandelte sich das Gefühl in einen grausamen Eindruck des Fallens, als stürze Alia in eine bodenlose Felsspalte. Ihre Finger und Zehen krallten sich um die Ranken der Dosedo-Pflanze. Sie spürte die Wärme der Wand an sich – und doch fiel sie immer weiter.
    Sie öffnete den Mund, schrie das Grauen aus sich heraus, hörte Stimmen, die in ihr Schreien einfielen, und andere, die mit seelenlosen Worten auf sie einredeten.
    Die nächste Schmerzwoge rollte heran, brachte ihr zumindest die Sicherheit und Stabilität der Wand zurück. Hitze strömte aus ihrem Unterleib, sättigte das Moos der Wand. Ekelerregender, süßlicher Geruch breitete sich aus.
    »Ich bin bei dir«, hörte sie eine kläglich leise Stimme in ihrem Rücken, »achte nicht auf die Angst, konzentriere dich auf deinen Körper. Ich versuche sie für dich zu ... zu ...«
    Alia stöhnte. Sie wusste, dass die Geburt so schnell wie möglich stattfinden musste, damit das Kleine nicht noch mehr Ogokoamo ausstieß.
    »Seran«, stieß Alia gurgelnd aus. »Ich weiß von dir und ...«
    Weiter kam sie nicht. Es war auch nicht wichtig, was sie herausgefunden hatte. Dieses Kind war das letzte, das sie zusammen mit Karun zeugen würde.
    »Konzentrier dich auf ... dein Kind ... Alia«, erklang nochmals die schwache Stimme der Schreckensamme. »Sei ... standhaft.«
    Ihr Unterkörper verkrampfte sich. Der Schmerz fühlte sich an, als ob ihr ein Stück heißes Eisen quer durch den Körper getrieben würde. Alia spürte, wie sich etwas durch ihr Reb'ak schob.
    Sofort brandete neues Entsetzen durch ihren Geist. Die beiden Schreckensammen schrien auf.
    »Halte durch, Alia«, hörte sie Karuns gedämpfte Stimme.
    Weshalb litten nur sie und die Ogok-Azacho und nicht derjenige, der für
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