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PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

Titel: PR 2630 – Im Zeichen der Aggression
Autoren: Marc A. Herren
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mit dem Todesurteil für diese Dauerängstlichen.
    Tokun blickte auf seinen Aggressionstrainer hinunter. Xoren Ferup lehnte sich demonstrativ zurück. Selbst wenn er nicht in der Mooskuhle säße, würde Tokun ihn fast um das Doppelte überragen.
    »Ich bin nicht dein Junge«, wiederholte Tokun Gavang leiser als zuvor.
    Er musste einen Weg finden, Ferups andauernden Provokationen zu begegnen. Auch wenn der Trainer wiederholt dorthin zielte, wo es Tokun am meisten schmerzte: auf sein ungeklärtes Verhältnis zu seinem Vater.
    Er schloss die Augen.
    Seine Eltern gaben viel Geld aus für Xoren Ferups Dienste. Calanshan – Aggressionstrainer – gab es nur wenige. Ihre intensive Ausbildung dauerte mehrere Jahre. Ähnlich wie die Schreckensammen mussten sie die Beherrschung der Ogokoamo-Absorbierung meistern, um ihre Tätigkeit überhaupt ausüben zu können. Nicht viele Dosanthi wiesen die dafür notwendigen geistigen und körperlichen Voraussetzungen auf.
    Kraft durch Konzentration!, dachte Tokun. Verlasst mich nicht, ihr Götter.
    »Okená!«, sprach Xoren Ferup ruhig die rituelle Endformel. »Ich sehe, wie es unter deiner Schädeldecke arbeitet, junger Agal-Atimpal. Ich sehe, wie du dich bemühst, die Dinge anzuwenden, die ich dir bisher beigebracht habe. Aber ich sehe auch, dass du deine Existenz als Dauererregter immer noch nicht akzeptiert hast. Ich sehe es daran, wie du deinen Blick, deine Konzentration auf die anderen Dosanthi in dieser Kaverne richtest – als käme ihrem Urteil ein größerer Stellenwert in deinem Leben zu als dein eigenes Schicksal.«
    Tokun blickte beschämt auf seine Füße. »Ja, mein Calanshan«, flüsterte er. »Ich kann es nicht ändern.«
    »Dummschwätzer!«, rief Ferup erbost.
    Um sich mit seinem Schützling messen zu können, verbrachte der Aggressionstrainer jeweils mehrere Stunden an den Wänden, um sich mit Calanda aufzuladen. Würde er dies nicht tun, hätte er gegen Tokuns häufige Ogokoamo-Ausschüttungen keine Chance.
    »Sieh sie dir doch einmal an, junger Gavang!« Er deutete abschätzig auf die anderen Dosanthi, die in mehreren Siebenergruppen an den Wänden der großen Unterhaltungshöhle klebten. »Ordinäre, ungeschulte Dosanthi. Sie werden von ihrer Angst beherrscht. Sie fürchten sich vor dem Licht wie die Mooskrabbler vor der Fressmotte. Sie ertragen es nicht, allein zu sein, benötigen lange Aufladezeiten an den Wänden, um genügend Calanda zu erhalten, das sie dann viel zu schnell wieder ausdünsten. Du hingegen ...« Ferup sah ihn auffordernd an.
    Tokun atmete aus. Ergeben strich er sich über die Knorpelkämme auf der Stirn. »Ich bin in meiner Entwicklung weiter als sie«, wiederholte er die Kernaussagen seines Calanshans, die er während der vergangenen Lektionen immer wieder gehört hatte. »Ich benötige kürzere Aufladezeiten, weil das natürliche Calanda in mir stärker ist als bei den normalen ...«
    »... den ordinären!«, korrigierte Ferup.
    »Den ordinären Dosanthi. Zudem habe ich die besseren geistigen Voraussetzungen als ... als sie.«
    »Weshalb?«
    »Weil ...«, Tokun suchte nach der genauen Formulierung, die der Calanshan ihm eingeimpft hatte, »... weil bei den ordinären Dosanthi nur die Calanda-Aufladung an den Wänden in Verbindung mit dem Informationsaustausch beim Kollektiv die Entwicklung der individuellen Intelligenz fördert. Da das Calanda in mir stärker und konstanter fließt, lerne ich schneller und kann in komplexeren Zusammenhängen denken als die ... die ordinären Dosanthi.«
    »Sehr gut.« Xoren Ferup schloss befriedigt die Augen.
    Tokun schielte zu den anderen Dosanthi, die sich im Schutz ihrer Gruppe an die Wände schmiegten. Von den angeblich besseren geistigen Kräften hatte er an sich bisher nicht allzu viel festgestellt.
    Klar, dachte er, die unzähligen Episteln aus der Dosanthi-Litanei habe ich innerhalb weniger Tage gelernt und die wichtigsten Kapitel nach dem ersten Lesen verinnerlicht, aber ...
    »Gib dir keine Mühe, deine Zweifel vor mir zu verheimlichen, junger Agal-Atimpal«, schnarrte Ferup. »Die Schwankungen in deinen Ogokoamo-Ausschüttungen sprechen zu mir, als läse ich in deinen Gedanken.«
    Tokun Gavang zuckte heftig zusammen.
    Der Calanshan seufzte. »Wir haben einen weiten Weg miteinander zu gehen. Einen sehr weiten.«
    Okená!, dachte Tokun.

4.
    Der Flug in der Weite
     
    Die anderen – die ordinären – Dosanthi gingen ihm automatisch aus dem Weg. Argwöhnisch blickten sie auf seine langen,
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