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PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

Titel: PR 2630 – Im Zeichen der Aggression
Autoren: Marc A. Herren
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ihre Schmerzen zuständig war?
    Alia schrie. Das Etwas, das sie immer deutlicher in ihrem Reb'ak spürte, glitt ein Stück nach unten. Plötzlich bewegte es sich wie wild. Gleichzeitig flammte neuer Schmerz auf. Es fühlte sich an, als würden Totenkäfer mit kräftigen Hornzangen Alias Eingeweide zerteilen.
    »Es soll aufhören!«, brüllte Alia mit aller Kraft, die sie aufbrachte.
    Schmerz und Furcht, Pein und Horror wechselten sich in immer schneller werdenden Zyklen ab. Alia klammerte sich an die Wand, versank in einer Höhle aus Agonie.
    Dann gab etwas plötzlich nach. Ihr Reb'ak zog sich zusammen. Das Etwas verließ ihren Unterleib. Sie hörte ein sanftes Plumpsen. Die Hände, die zitternd und bebend ihren Leib massiert hatten, verschwanden plötzlich.
    Einen Moment lang war alles ruhig.
    Friedlich.
    Dann hörte sie das Weinen.
     
    *
     
    »Wie geht es dir, Mutter?«
    »Mir geht es gut, mein Schatz. Ich bin nur sehr müde. Wie geht es dir?«
    »Ich hatte große Angst.«
    »Die hatten wir alle. Aber nun ist dein Bruder da, und wir brauchen uns um ihn keine Sorgen mehr zu machen.«
    »Ich mag ihn nicht.«
    »Ach Sirran. Sag nicht so etwas. Komm her und schau ihn dir an. Schau, wie klein er ist. Er benötigt unsere Hilfe.«
    Der Junge blickte hoch, als wisse er genau, dass über ihn gesprochen wurde. Seine Schlitzpupillen waren so weit geöffnet, dass sie beinahe rund erschienen. Er weinte nicht mehr, ruhte zwischen Wand und Alias warmem Oberkörper.
    »Er hat mir wehgetan.« Sirran legte beide Hände über die Augen, wie sie es oft tat, wenn sie sich nicht länger an einer Unterhaltung beteiligen wollte. Ihre Lamellen zogen sich leicht zusammen, als sie sich enger an die Wand schmiegte.
    Alia seufzte.
    Keine drei Schritte von ihr entfernt kämpften sie um das Leben von Seran Giftun.
    Alia hoffte, dass die Schreckensamme ihre Worte nicht verstanden hatte, die sie in den Wechselbädern zwischen Furcht und Pein ausgestoßen hatte. Ansonsten war es ihr einerlei, was mit Seran geschah. Jeder in der Gesellschaft auf Meloudil hatte seine Aufgabe. Als Ogok-Azacho war man eben bestimmten Risiken ausgesetzt. Sollte sie sich Vorwürfe machen, weil Seran ihrer Aufgabe offenbar nicht gewachsen gewesen war?
    Emotionslos betrachtete sie den Kindsvater. Karun saß am Boden, den Umhang getränkt mit Blut und Geburtsschleim. In seinem Schoß ruhte der Kopf der Schreckensamme. Zitternde Augenlider, der Mund einen Spaltbreit geöffnet.
    »Karun?«
    »Ja?«
    »Wir sollten ihn Tokun nennen. Den Standhaften.«
    »Was? Wen?«
    »Deinen Sohn.«
    Das Neugeborene blickte auf. Die Augen getrübt.
    In diesem Moment starb Seran. Die Luft entwich ihren Lungen. Das Zittern der Augenlider hörte auf.
    »Tokun«, wiederholte Alia. »Ein guter Name.«

2.
    Lichter im Dunkeln
     
    »Ich will nicht hingehen!«
    Tokun blickte zu Boden. Alia fühlte Ärger in sich aufsteigen. Wie so häufig, wenn sie und ihr Sohn aneinandergerieten.
    Ihr wurde mehr und mehr bewusst, dass ihre Lamellenfreundinnen nicht ganz unrecht hatten mit der Behauptung, dass dem Jungen eine richtige Vaterfigur fehlte.
    Karun Gavang hatte sich den Titel eines Vorstehers erarbeitet. Damit verwaltete er nicht nur die Stadt Dogeju, ihm unterstand der gesamte Nordkontinent Irgia.
    Er sorgte sich um die kleinen und großen Bedürfnisse der Dosanthi genauso wie um stadtplanerische Aufgaben und die wichtigen Verhandlungen mit den Xylthen.
    Diese Tätigkeiten vereinnahmten Karun so stark, dass er sich nur selten um seinen Sprössling kümmerte. Wenn er einmal ein paar Stunden aufwenden wollte, gelang es Alia meist nicht, ihren Angstgeist zu besiegen, und daher rollte sie ihrem Partner alle möglichen Steine vor den Höhleneingang.
    Ihrem früheren Partner.
    »Die Prozession des Lichts ist einer der Höhepunkte des Jahres, mein Schatz. Ich habe mich jeweils schon Monate zuvor ...«
    »Ich bin aber nicht du!«, maulte Tokun. Seine Schlitzpupillen verengten sich zu dünnen Strichen. »Ich bin anders. Ich will nicht bei den anderen Kindern sein!«
    Alia fühlte Ohnmacht in sich aufsteigen. Was sollte sie bloß auf Tokuns Totschlagargument entgegnen? Sie wusste, dass ihr Sohn speziell war. Ihm fehlte die gesunde Ängstlichkeit eines normalen Dosanthi. Neuen Herausforderungen begegnete er nicht mit Vorsicht, sondern mit Impulsivität. Wie sollte er später ein normales, eigenständiges Leben führen, wenn er ständig mit allen stritt und sich hirn- und wandlos in Abenteuer stürzte?
    Alia fand
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