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PR 2627 – Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS

PR 2627 – Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS

Titel: PR 2627 – Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS
Autoren: Michael Marcus Thurner
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auf der Spur sind.
    Eine zweite Gruppe kümmert sich um all die gesprengten Schotten rings um den Schiffs-Ringwulst. Eine dritte befasst sich mit jener Space-Jet, die an der Flucht gehindert wurde und nahe der Außenwandung der GEMMA FRISIUS in einem Netz aus Schmelzharz festhängt.
    Curi Fecen, seine Raumsoldaten, Sichu und ich dringen indes immer weiter in Richtung Zentrale vor.
    Ein Pulk von Robotern gerät in unser Gesichtsfeld. Sie sind miteinander verschmolzen, allerdings ist kein metallplastilines Schmelzharz feststellbar. Die Arbeitsgeräte wurden miteinander verschweißt oder verbunden, auf eine Art und Weise, die ich nicht begreife. Diese Metallskulptur ist völlig abstrakt konstruiert, sie ergibt keinerlei Sinn. Sie erinnert mich an ein Werk des Art Brut, an Kunst jenseits der Kunst, wie sie von Wesen mit sogenannter geistiger Behinderung gestaltet und geformt wird.
    Sichu Dorksteiger wendet den Blick ab. Sie erträgt offenbar nicht, was sie sieht. Alles wirkt verzogen, schief, krumm. Jenseits aller Maßstäbe und aller Bewertungsmöglichkeiten. Wie ein Blick ins Hyperräumliche, der Irrsinn mit sich bringen mag.
    »Weiter!«, sage ich und ziehe sie an diesem ... Werk vorbei.
    Ich nehme meine Waffe in die Hand und bewege mich nun wie schützend vor der Ator. Ich bin nervös. Mein Radar für Gefahr spricht an. Ich meine, Geräusche über die Außenlautsprecher wahrzunehmen. Geräusche, die nicht an diesen Ort gehören.
    Wir gehen einen langen Gang entlang. In einer Entfernung von etwa fünfzig Metern zu unserer Linken muss sich jener Antigrav befinden, über den wir uns Zugang zur Zentrale verschaffen möchten.
    Curi Fecen und seine beiden ertrusischen Begleiter sichern die nächste Abzweigung. Ich höre den Captain leise fluchen. Auch die beiden Riesen atmen rasselnd durch. Es klingt, als würden meterdicke Ketten durch einen Schacht gezogen werden.
    »Kein schöner Anblick!«, warnt mich Curi kurz angebunden, bevor ich mich nach links wende.
    Ich habe viel zu viel Leid in meinem Leben gesehen. Tote, Verletzte, Zerrüttete, Wahnsinnige. Ein Nachteil der Unsterblichkeit ist es, dass es keine Abgründe gibt, in die ich nicht bereits geblickt hätte. Doch das hier ...
    Ich starre auf eine Schneise der Verwüstung. Wände sind beiseitegedrückt, deformiert, geschmolzen. Ein Tunnel ist entstanden, an dessen Ende rechts von mir ein undefinierbares Etwas klebt.
    Das nun zerstörte Objekt ist ins Innere des Schiffs gerast; wie ein Projektil, das mehrere Schichten an Metallen und Kunststoffen durchbrochen hat, um dann irgendwo in seinem Schwung gebremst zu werden, stecken zu bleiben und zu deformieren.
    In der Nähe des Objekts gewahre ich einen ... Klumpen. Zwei Menschen sind darin verbacken. Sie starren mich an, beide mit einem Ausdruck des Entsetzens im Gesicht. Ihre Schutzanzüge sind geplatzt. Sie sind von gewaltigen Massen des Schmelzharzes umgeben und darin festgehalten. Dort verharren sie, für die Ewigkeit konserviert.
    Durch das semitransparente, leicht leuchtende Material betrachte ich die zerdrückten und zerquetschten Körper. Einer ist ertrusisch. Der Kopf ragt ins Freie, umgeben von dunkelroten Flecken. Er trägt das grün gefärbte Haar im traditionellen Irokesenschnitt.
    »Bleib zurück!«, warne ich Sichu.
    Sie gehorcht nicht. Natürlich nicht. Im Gegensatz zu mir und den Soldaten reagiert sie ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack. Ich mache mir bewusst, dass unsere Völker, wenngleich miteinander verwandt, doch Millionen Jahre unterschiedlicher Entwicklungsgeschichte durchgemacht haben. Es grenzt ohnedies an ein Wunder, dass unser Verhalten sich auch nur ähnelt.
    »Das ist übel«, sagt Sichu.
    Sie kratzt mit ihren behandschuhten Fingern über das Schmelzharz. Die Frau, die in ein wenig Abstand zum Ertruser steckt, hat es ihr angetan.
    Ich trete zu ihr und betrachte das zart geschnittene Gesicht der Toten.
    Nur nicht nachdenken! Dies hier ist ein Kriegsschauplatz. Dies hier sind Opfer. Erweise den Verstorbenen deinen Respekt – aber lass deine Emotionen aus dem Spiel.
    Ach, wenn es bloß so leicht wäre ...
    »Ich habe einen Bildabgleich mit den vorhandenen Daten der Besatzungsmitglieder gemacht«, sagt Sichu mit dieser entsetzlichen ruhigen Stimme. »Die Frau heißt Kerstin Owomay. Sie ist die Zweite Pilotin der GEMMA FRISIUS.«

4.
    GEMMA FRISIUS
    3. September 1469 NGZ
     
    Verzögerungen. Unerwartetes. Widerstand.
    Schwierigkeiten, die durchaus eingeplant sind und dennoch ein Gefühl des
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