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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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Mattau sah gedankenverloren an die Wand, auf die der endlos weite, knallblaue Horizont der Ägäis aufgepinselt war.
    Er brauchte nicht lange, um die Alte in aller Freundlichkeit abzuwimmeln. Dann trat ich an seinen Tisch.
    »Kittel!«, freute er sich und zog einen Stuhl vom Tisch weg. »Setzen Sie sich. Trinken Sie eins mit mir.«
    »Ich mag ja nichts davon verstehen«, sagte ich, »aber arbeiten Sie nicht normalerweise um diese Zeit?«
    Mattau winkte ab. »Genau. Sie verstehen nichts davon. Seien Sie froh.«
    »Keine Besprechung heute? Oder eine Fortbildung?«
    Mattau nahm sein fast leeres Glas und hielt es gegen das Licht. Dann drehte er es langsam und betrachtete es ausgiebig.
    »Mein Vater«, erklärte er dem Glas, »hat mir eingetrichtert: Bevor du einen Schritt in eine bestimmte Richtung machst, frage dich vorher, ob du ihn nicht hinterher bereuen musst. Daran habe ich mich immer gehalten. Auch diesmal habe ich mich das brav gefragt. Und die Antwort lautet: Ja, ich muss ihn bereuen. Oder sagen wir, ich müsste es.« Er rülpste. »Aber ich schaffe es nicht.«
    »Herr Kommissar«, sagte ich höflich. »Mir ist völlig schleierhaft, wovon Sie reden.«
    »Mein Bruder hat ein Gehöft irgendwo im Münsterland. Kühe, grüne Wiesen und morgens kräht der Hahn. Wissen Sie, wann ich so was zuletzt gesehen habe? Als Kind, da war das eine Seite im Bilderbuch.« Mattau seufzte der verlorenen Zeit hinterher. »Und da er jetzt nach Spanien zieht, überlässt er es mir für einen Spottpreis.«
    »Das Bilderbuch?«
    »Blödsinn! Den Bauernhof.«
    Gemeinsam sahen wir eine Weile aufs Meer hinaus.
    »Ehrlich gesagt«, unterbrach ich das Schweigen, »verstehe ich immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich hab Ihnen doch neulich von Thorsten erzählt und Guido. Nun, das ist eine alte Geschichte und bald wird sich keiner mehr daran erinnern. Für die meisten ist sie regelrecht uninteressant. Guido allerdings hat sich, wie ich finde, ein bisschen zu sehr beeilt damit.« Wieder entfuhr ihm ein Rülpser. »Sie zu vergessen, mein ich.«
    Auf einmal sah ich Martens vor mir, sein blaues Auge und die Nase, die so sehr angeschwollen war, dass eine Pappnase dagegen schlank erschien. »Wollen Sie etwa damit andeuten, Sie waren derjenige, der…«
    »Wie gesagt, es hat keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren. Außerdem war ja alles gesagt.«
    »Und deshalb haben Sie ihm eins auf die Nase gegeben.«
    »Direkt neben seiner Garage führt ein Feldweg ins Nichts. Wenn es dunkel ist, ein idealer Ort für Unterredungen dieser Art. Guido nimmt ihn für seinen Verdauungsspaziergang.« Mattau beendete seine Glas-Betrachtung. »Tja, blöderweise hat er mir die Maske vom Gesicht gerissen. Und das war’s dann.«
    »Und wie ging es dann weiter?«
    Mattau erhob sich. »Mein Bruder behauptet, im Münsterland gibt es jede Menge Kühe und noch mehr Fahrräder. Und manchmal sieht man sogar eine Kuh auf dem Fahrrad.« Er winkte mir zu. »Deshalb habe ich zugeschlagen und den Hof gekauft. Weil ich mir den Anblick nicht entgehen lassen will.«

27
     
     
     
    Erst musste ich warten, bis Henk wieder von sich hören ließ. Ich erzählte ihm von dem Fischfutter auf meinem Schreibtisch und warnte ihn dringend davor, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen.
    Anstatt zu erbleichen, bekam er einen Lachanfall, dass der Qualm aus ihm herauspuffte. Es wurde mir klar, dass er genug hatte. Er war es leid, sich zu verstecken.
    »Bevor ich ein Leben in Frauenkleidern führe«, sagte er bitter, »krepiere ich lieber.«
    »Das ist doch nur für die erste Zeit«, munterte ich ihn auf. »Drei, vier Jahre vielleicht. Meinetwegen auch zehn. Danach rasierst du dir eine Glatze und lässt dir einen Bart stehen.«
    »Hast du eigentlich mit Babsi gesprochen?«
    »Sie denkt Tag und Nacht an dich. Falls die Typen dich erwischen sollten und du auf dem Obduktionstisch landest, dann will sie die Erste sein, die ein Skalpell in die Hand nimmt.«
    »Spar dir deine schlechten Witze. Babsi ist in Ordnung. Absolut richtig, dass sie auf Tauchstation geht. Ich will ihr Leben nicht auch noch an den seidenen Faden hängen.«
     
     
    Eines Abends tauchte er im La Mancha auf, ohne jede Tarnung. »Heh, Leute, ich bin wieder da!«, brüllte er. Und auf der Straße, als ich ihn in Schlangenlinien nach Hause geleitete: »Ihr Scheißkerle, kommt doch und holt mich! Ihr schlappschwänzigen, sizilianischen Pappnasen, ihr habt doch nur so lange eine große Klappe, wie einer vor euch zittert! Aber
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