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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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abschlagen konnte.«
    »So wie es Fakt ist, dass dein Laden vor der Pleite steht. Und da ist man nicht wählerisch.«
    Er wiegte den Kopf hin und her und schüttelte seine weiße Mähne wie ein Hund, der aus dem Wasser kam. »Du weißt ja nicht, wie das ist. Die Konkurrenz ist hart. Das Geld ist knapp. Und wenn dir da einer einen Scheck rüberreicht, mit dem du locker drei Jahre weiterkommst, dann überlegst du nicht lange.«
    »Mir scheint, in diesem Fall ist ›nicht lange‹ eine schamlose Übertreibung.«
    »Kim hat mir aus der Patsche geholfen. Und alles, was sie dafür wollte, war dreimal Pommes rot-weiß.«
    »Was wollte sie?«
    »Damit ist eigentlich die Standardausführung gemeint. Ein Toter, Blut, ein paar Einschusslöcher. Das Übliche. Aber ich habe mir gesagt: Wenn schon, dann werde ich nicht einfach nur Pommes rot-weiß hinlegen. Wenigstens beim letzten Mal sollte es die Luxusklasse sein. Ich bin ein Künstler und nicht das Pizza-Taxi.«
    »Du meinst die Spezialität des Hauses.«
    »Du hast es erfasst.«
    »Und dass Tilo Martens dabei der Dumme im wortwörtlichen Sinne ist, hat dich nicht gekratzt.«
    »Wir müssen alle Opfer bringen«, erklärte Rudi schulterzuckend. »Tilo gehört zum Ensemble, er ist einer der hoffnungsvollen Talente. Also hat er schließlich auch davon profitiert.«
    »Hast du sie eigentlich nie gefragt, warum sie Pommes rot-weiß wollte?«
    »Sie war nicht knickerig.« Rudi drückte seinen Stummel aus. »Also, raus mit der Sprache. Warum, zum Teufel, wollte sie, dass ich diesen Zirkus für sie inszeniere?«
    »Sie wollte einen Mord vertuschen. Tilo kam unerwartet nach Hause, als Hendrix, der Mann aus der Wanne, gerade einen gewissen Mölling umgebracht hatte. Und weil jeder weiß, dass Tilo ein sensibler, unsicherer und überspannter Typ ist, hat sich Kim gesagt, dass man den echten Mord am besten in einer Serie gestellter Morde versteckt.«
    »Gar keine schlechte Idee«, freute sich Rudi. »Ich hab immer gewusst, dass die Frau Klasse hat.«
    »Aber anstatt bei ihr Eindruck zu schinden, hast du ihr den Lieblingsautor genommen.«
    »Das war nicht meine Schuld!«, erregte sich der Regisseur. Eine ganze Weile schüttelte er den Kopf in grenzenlosem Unverständnis, dann griff er nach seinem Mentholtabak. »Ein Jammer ist das. Ich komme einfach nicht drüber weg. Ich werde Jahre brauchen…«
    »Vielleicht tröstet es dich, dass Hendrix nicht gerade ein Unschuldsengel war. Wenn man weiß, wie viel Dreck der am Stecken hatte, dann wundert man sich nicht mehr, weshalb er die meiste Zeit in der Wanne saß.«
    »Ach, den meine ich doch nicht!«, winkte Rudi ab. »Es ist die versaute Aufführung! Wenn der Mann nicht gewesen wäre, dann wäre es mir gelungen, einen neuen Meilenstein zu setzen. Theatergeschichte zu schreiben. Einen historischen Schritt zur Versöhnung der Bühne mit dem Zelluloid.« In seinen Augen glänzten tatsächlich Tränen. »Lamm Amirstan neben der Duschszene in Psycho.«
    »Amen«, sagte ich.
    Er sah mich schräg an. »Was jetzt? Verhaftest du mich, oder was?« Er hielt mir pathetisch beide Handgelenke hin. »Komm schon, Mann, ich bin dir nicht mal böse deswegen. Nachdem ich mein Meisterwerk vermasselt habe, ist alles egal.«
    »Ich bin kein Bulle, nur ein Schnüffler. Ich verhafte niemanden. Man engagiert mich und manchmal gebe ich Bestellungen auf.«
    Er kratzte sich mit der Zigarettenhand und es roch nach verbranntem Haar. »Was für Bestellungen?«
    »Zum Beispiel einmal Pommes rot-weiß.«

26
     
     
     
    Das klare, sonnige Herbstwetter, das als Kulisse für den martensschen Familienkrach gedient hatte, war nicht von Dauer. Am Donnerstag kehrte das Einheitsgrau zurück. Und mit ihm die schwarze Gestalt.
    Diesmal stand sie mitten in der Stadt, im Innenhof des alten, schlecht gepflegten Hauses, in dem ich wohnte. Sie stand keine drei Meter von den Müllcontainern entfernt. Ich wollte nicht mit ihr tauschen.
    Von dritten Stock aus sah der Schwarze kleiner aus als sonst. Er wirkte fast zierlich, verletzlich, gar nicht wie die düstere Anklage des Weltgewissens.
    Ich lief die Treppen hinunter in den Hof. Der Mann war kleiner. Denn es war nicht Mannie Gerresheim.
    »Tag, Kittel«, sagte Tilo.
    »Was macht die Therapie?«, erkundigte ich mich kühl. »Kommst du voran?«
    »Tut mir Leid, das neulich«, sagte er zerknirscht. »Aber ich dachte eben, ich müsste…«
    »Schon okay. Das ist dein Leben. – Also, ich muss los.«
    »Kittel!« Er hielt mir einen Umschlag hin.
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