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Polgara die Zauberin

Polgara die Zauberin

Titel: Polgara die Zauberin
Autoren: David Eddings
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Wut.
Ich nehme an, daß meine Wut ein Reflex der Reaktion meiner Mutter war, als mein Vagabund von einem Vater und eine Schar von Alornern es vorzogen, sich nach Mallorea davonzustehlen, um Torak den Orb, den dieser dem Meister gestohlen hatte, wieder abzujagen. Jetzt verstehe ich völlig, warum es notwendig war, und warum Vater keine Wahl hatte – und Mutter versteht es ebenso, denke ich. Aber damals versetzte sie dieses Verhalten, das nach wölfischen Maßstäben ein widernatürliches Imstichlassen war, in heiße Wut. Meine in meiner Kindheit etwas merkwürdige Beziehung zu meinem Vater leitete sich wahrscheinlich daraus ab, daß ich Mutters Wut spürte. Beldaran blieb unberührt davon, da Mutter es klugerweise vorzog, sie vor dieser Wut abzuschirmen.
Mir ist gerade ein sprunghafter und recht beunruhigender Gedanke gekommen. Wie ich bereits erwähnte, beinhalten Vaters Erziehungsmethoden vor allem Infragestellen und Streiten, und ich war wohl seine Paradeschülerin. Mutter lehrt Ergebenheit, und Beldaran wurde das ganze Ausmaß dieses Ratschlags zuteil. Auf eine seltsame Art und Weise würde das bedeuten, daß ich die wahre Tochter meines Vaters bin, während Beldaran Mutters Tochter war.

Schon gut, alter Wolf. Spar dir dein hämisches Grinsen. Am Ende werden wir alle klug. Eines Tages bist möglicherweise sogar du an der Reihe.

Mutter und der Meister erzählten meiner Schwester und mir behutsam, daß Mutter uns nach unserer Geburt in der Obhut von anderen zurücklassen müßte, damit sie eine notwendige Aufgabe erfüllen konnte. Man versicherte uns, daß gut für uns gesorgt wäre, und darüber hinaus, daß Mutters Gedanken mehr oder weniger beständig bei uns sein würden, genauso wie damals, als wir noch in ihrem Leib waren. Wir akzeptierten das, auch wenn die Vorstellung körperlicher Trennung etwas beängstigend war. Das Wichtigste in unserem Leben war von jenem Moment an, als unser Bewußtsein erwacht war, die Gegenwart von Mutters Gedanken gewesen, und so lange sie bei uns blieben, waren wir sicher, daß alles gut sein würde.
Aus einer Reihe von Gründen war es nötig, daß ich als erste geboren wurde. Aldurs Veränderungen an meinem Geist und meiner Persönlichkeit hatten mich ohnehin unternehmungslustiger als Beldaran gemacht. Deshalb war es wohl ganz natürlich, daß ich die Führung übernahm.
Eigentlich war es eine leichte Geburt, aber das Licht tat meinen Augen zunächst weh, und die noch weiterreichende Trennung von meiner Schwester war außerordentlich schmerzhaft. Nach einer Weile gesellte sie sich jedoch zu mir, und alles war wieder in Ordnung. Mutters Gedanken – und Aldurs – waren noch bei uns, und so dösten wir gemeinsam in vollkommener Zufriedenheit ein.

Ich setze hier voraus, daß die meisten von Ihnen meines Vaters ›Geschichte der Welt‹ gelesen haben. In diesem hin und wieder ziemlich wichtigtuerischen Monolog erwähnt er häufig einen ›humorvollen alten Gesellen in einem klapprigen Karren‹. Nicht lange nach Beldarans und meiner Geburt stattete er uns einen Besuch ab. Obwohl seine Gedanken uns schon seit Monaten begleiteten, war dies unsere erste tatsächliche Begegnung mit dem Meister. Er unterhielt sich eine Zeitlang mit uns, und als ich mich umsah, geriet ich plötzlich in Panik.
Mutter war fort.
»Ist ja gut, Polgara«, erreichte mich Mutters Gedanke. »Es ist notwendig. Der Meister hat jemand damit beauftragt, sich um dich und deine Schwester zu kümmern. Dieser Jemand ist klein, verwachsen und häßlich, aber sein Herz ist gut. Ich fürchte aber, es wird nötig sein, ihn zu täuschen. Er muß glauben, daß ich nicht mehr am Leben bin. Niemand – außer dir und Beldaran – darf wissen, daß das nicht die Wahrheit ist. Der, der euch gezeugt hat, wird bald zurückkehren, aber er hat noch einen weiten Weg vor sich. Ohne die Ablenkung durch mich wird er schneller reisen.«

Und so trat Onkel Beldin in unser Leben. Ich weiß nicht genau, was der Meister ihm erzählte, aber er weinte eine Menge während jener ersten Tage. Nachdem er seine Gefühle unter Kontrolle bekommen hatte, unternahm er einige zaghafte Versuche, mit mir und meiner Schwester in Verbindung zu treten. Um ehrlich zu sein, anfangs erwies er sich darin als beklagenswert unfähig, aber der Meister leitete ihn an, und mit der Zeit wurde er geschickter.
In unserem Leben – dem meiner Schwester und meinem – wurde es voller. Zuerst schliefen wir viel. Onkel Beldin war so klug, uns in dieselbe Wiege zu legen,
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