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Polarfieber (German Edition)

Polarfieber (German Edition)

Titel: Polarfieber (German Edition)
Autoren: Kim Henry
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Militär nach so langer Zeit erneut angefangen, sich für Silas zu interessieren?
    Wirklich wichtig war nur eines. Zeit. Bitte, bitte, gib uns Zeit. Gemeinsame Wochen, Monate, Jahre. Zeit, nicht um zu begreifen, Zeit um zu leben. Alles andere würde sich fügen. Irgendwie, irgendwann. Sie rutschte ein wenig in dem Stuhl vor, um ihren Rücken zu entlasten und begann erneut zu zählen. Die Quadrate verschwammen vor ihren Augen.
    „Kaya?“
    Sie sah auf. Marc. Er stand in der Tür zum Wartezimmer. Kaum hatten ihre Augen seinen Blick erreicht, eilte er auf sie zu. Sie gab ihren Gliedern nicht den Befehl aufzustehen, trotzdem fand sie sich im nächsten Augenblick in seinen Armen. Das Rascheln seines Anoraks an ihrer Wange, der Geruch nach Kerosin und Tabak und Bier. Das tat so gut.
    Eine Hand legte sich auf ihren Kopf, strich sanft über ihr Haar. „Ist gut, Sweetheart. Ich bin mit den Sanis gekommen, die das Blut gebracht haben. Ich hab den Funk gehört. So leicht ist unser alter Schwerenöter nicht totzukriegen.“
    Ein Schluchzen steckte ihr im Hals, doch sie schluckte es herunter. Wenn sie jetzt losließ, wenn sie jetzt anfing zu weinen, bei Gott, sie würde nicht mehr aufhören. „Marc, du … du hast ihn nicht gesehen. Seine Hände … sein Gesicht. Die Hunde. Er … er wird …“
    Kaya konnte nicht weiterreden. Ohne sie loszulassen, schob Marc sie zurück zu den Stühlen, setzte sich neben sie und zog sie in seine Umarmung.
    „Ein paar Narben haben noch keinen Kerl umgebracht. Nive würde jetzt sagen, dass es so besser für ihn ist. Er kann seine Narben endlich auf der Haut tragen, statt auf seiner Seele.“
    Mehr fühlte sie die Worte in seiner Brust vibrieren, als dass sie sie hörte. Ihr Sichtfeld verschwamm. In den Schlierenschleiern vor ihren Augen sah sie Silas vor sich, an jenem ersten Tag in der Halle. Lederjacke, Sonnenbrille. Die Haare ein wenig zu lang, das Lächeln unergründlich. Nie wieder würde er so aussehen. Nie mehr. Aber vielleicht hatte Marc ja recht und er brauchte das. Eine Weile schwiegen sie, lauschten dem Rumoren im Leib des Krankenhauses.
    „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Marc rührte sich neben ihr. Erst jetzt fiel ihr der Jutebeutel auf, den er zwischen seinen Beinen hielt. Sehr elegant. Beinah hätte sie gelacht. Er richtete sich ein wenig auf und zog einen Papierstapel daraus hervor. Die Unterlagen waren in einer Prospekthülle zusammengefasst. Auf dem Deckblatt eine schwarz-weiße Version des Union Jack, irgendwelche Wappen und … Silas’ Name.
    Sie schnappte nach Luft. „Das ist …“
    „Silas’ Militärakte. Ich dachte, du solltest sie haben. Sicherlich hast du viele Fragen. Die meisten Antworten wirst du darin finden.“
    Sicher. Sie hatte Fragen, aber brauchte sie wirklich Antworten?
    Marc ließ ihr keine Zeit, eine Antwort zu finden. Er sprach schon weiter. „Jeremy Sinclair, Codename JayJay, war der Major, der für das Massaker in Afghanistan verantwortlich war, von dem ich dir erzählt habe. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass es Silas war, der mit seiner Selbstanzeige und seiner Aussage dafür sorgte, dass Sinclair seine Uniform an den Nagel hängen musste und für einige Jahre ins Militärgefängnis ging. Einer der Soldaten, die auch an der Operation beteiligt waren, wurde im Rahmen des Gefechts getötet.“
    „Dylan“, hauchte sie. Langsam begannen all die Puzzleteile ineinanderzugreifen.
    Marc nickte. „Ja, Dylan McKerrick. Silas’ bester Freund dort drüben in der Wüste. Bis vor wenigen Monaten schienen die ballistischen Untersuchungen, die Auskunft darüber geben konnten, wie McK zu Tode kam, vom Erdboden getilgt. Bis zu dem Zeitpunkt …“
    „Als Jeremy aus der Haft entlassen wurde.“ Kaya selbst konnte den Satz zu Ende bringen.
    „Es ging um Rache.“
    „Oder um Liebe.“ Sie erinnerte sich an das Glück auf Jeremys Miene, als er starb.
    Marc sah sie verwirrt an, aber Kaya antwortete nicht.
    „Es ist vorbei“, sagte sie nach einer Weile und legte sich die Hände auf den Bauch. Jetzt, ohne die dicke Fellhose, war die Wölbung unter ihrem Hosenbund deutlich zu spüren. Was vergangen war, sollte vergangen bleiben.
    Unaufhaltsam rückte der Sekundenzeiger auf der runden Uhr über der Tür voran. Jeder Herzschlag ein Ticken. Jede Sekunde ein Stückchen sterbende Hoffnung. Was zählte die Vergangenheit, hier in diesem Wartezimmer? Was zählte, was gewesen war, wenn niemand wusste, was sein würde.
    „Ich will die Unterlagen nicht“, sagte
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