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Poirots erste Fälle

Poirots erste Fälle

Titel: Poirots erste Fälle
Autoren: Agatha Christie
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fuhr Inspektor Sims fort. »Niemand a u ßer K. hatte die Kapseln in der Hand.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Das Mädchen streitet es selbst nicht ab. Was halten Sie davon?«
    »Hochinteressant.«
    »Uns fehlt nur noch eins – der Beweis, wie sie sich das Strychnin verschaffte. Aber das herauszufinden dürfte nicht schwierig sein.«
    »Bisher hatten Sie noch keinen Erfolg?«
    »Ich habe kaum mit den Ermittlungen angefangen. Die gerichtliche Voruntersuchung war erst heute Mo r gen.«
    »Wie ging sie aus?«
    »Sie wurde auf nächste Woche vertagt.«
    »Und die junge Dame – K.?«
    »Ich habe sie als Tatverdächtige festgenommen. Möchte keine Risiken eingehen. Vielleicht hat sie ein paar kom i sche Freunde im Land, die versuchen könnten, sie hi n auszuschmuggeln.«
    »Nein«, sagte Poirot, »ich glaube nicht, dass sie Freunde hat.«
    »Tatsächlich? Warum sagen Sie das, Monsieur Po i rot?«
    »Ach, das ist nur so eine Idee von mir. Andere Pun k te, wie Sie das nennen, gibt es nicht?«
    »Nichts, was von besonderer Bedeutung wäre. Miss B. scheint in letzter Zeit mit Aktien spekuliert und eine ziemlich hohe Summe ve r loren zu haben. Die Sache ist recht undurchsichtig, aber ich sehe keinen Zusamme n hang mit unserem Verbrechen, zurzeit jedenfalls nicht.«
    »Vielleicht haben Sie Recht. Meinen besten Dank. Es war sehr freundlich von Ihnen, mich anzurufen.«
    »Nicht der Rede wert. Ich stehe zu meinem Wort. Ich habe ja gesehen, wie interessiert Sie sind. Wer weiß, vie l leicht können Sie mir sogar noch helfen, bevor der Fall geklärt ist.«
    »Mit dem größten Vergnügen. Es könnte Ihnen zum Beispiel nützen, wenn es mir gelänge, einen Freund dieser Katrina aufzustöbern.«
    »Haben Sie nicht gesagt, sie habe keine Freunde?«, fra g te Inspektor Sims überrascht.
    »Ich habe mich geirrt«, antwortete Hercule Poirot. »Sie hat einen.«
    Bevor der Inspektor noch eine weitere Frage stellen konnte, hatte Poirot aufgelegt.
    Mit ernster Miene wanderte er in das Zimmer hi n über, in dem Miss Lemon an der Schreibmaschine saß. Als ihr Arbeitgeber hereinkam, nahm sie die Hä n de von den Tasten und blickte fragend auf.
    »Ich möchte«, sagte Poirot, »dass Sie sich selbst e i nen Reim auf eine kleine Geschichte machen.«
    Resigniert ließ Miss Lemon die Hände in den Schoß sinken. Es machte ihr Spaß zu tippen, Rechnungen zu bezahlen, Akten abzulegen und Verabredungen zu tre f fen. Wenn man sie jedoch bat, sich in eine hypoth e tische Situation zu versetzen, langweilte sie das u n endlich, aber sie nahm es als den unangenehmen Teil ihrer Pflichten mit in Kauf.
    »Sie spielen eine Russin«, begann Poirot.
    »Ja«, sagte Miss Lemon und sah dabei so britisch aus wie nur mö g lich.
    »Sie sind in diesem Land allein und haben keine Freu n de. Sie arbeiten als eine Art Aschenbrödel – Hausmä d chen, Pflegerin und Gesellschafterin bei einer alten D a me. Sie sind sanftmütig, geduldig und murren nie.«
    »Ja«, sagte Miss Lemon gehorsam, konnte sich j e doch überhaupt nicht vorstellen, irgendeiner alten Dame g e genüber sanftmütig zu sein.
    »Die alte Dame schließt Sie in ihr Herz und will Ihnen deshalb ihr Geld hinterlassen. Sie sagt es Ihnen auch.« Poirot machte eine Pause.
    Miss Lemon sagte wieder: »Ja.«
    »Und dann entdeckt die alte Dame etwas. Vielleicht hat es mit Geld zu tun – vielleicht stellt sie fest, dass Sie nicht ehrlich zu ihr waren. Oder etwas noch Ernst e res – eine Medizin schmeckt anders, ein Gericht b e kommt ihr nicht. Sie wird auf jeden Fall misstrauisch und schreibt an einen sehr berühmten Detektiv – enfin, an den berühmte s ten Detektiv unserer Zeit – an mich! Ich soll sie bald bes u chen. Und damit ist, wie man hier sagt, der Teufel los. Wichtig ist schnell zu handeln. Darum muss die alte D a me sterben, bevor der große Detektiv mit ihr sprechen kann. Und Sie erben das Geld… Finden Sie, dass diese Geschichte logisch klingt?«
    »Durchaus logisch«, sagte Miss Lemon. »Das heißt, durchaus l o gisch für eine Russin. Ich würde ja nie eine Stellung als Gesellschafterin annehmen. Ich habe es li e ber, wenn mein Aufg a bengebiet klar umrissen ist. Und selbstverständlich würde es mir nicht einmal im Traum einfallen, jemand zu ermorden.«
    Poirot seufzte. »Wie vermisse ich doch meinen Freund Hastings! Er hat eine so lebhafte Fantasie, ein so roma n tisches Gemüt. Es stimmt ja, dass er immer die falschen Schlüsse zog, aber das allein war schon ein Hinweis.«
    Miss Lemon schwieg.
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