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Poirots erste Fälle

Poirots erste Fälle

Titel: Poirots erste Fälle
Autoren: Agatha Christie
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vor, dies zu tun.
    Ich hoffe, mich in diesem Punkt klar ausgedrückt zu haben. Falls Sie die Untersuchung übernehmen wo l len, teilen Sie es mir bitte an obige Adresse mit.
     
    Ihre sehr ergebene
    Amelia Barrowby.«
     
    Poirot las den Brief zweimal. Wieder zog er leicht die Brauen hoch. Dann legte er ihn zur Seite und wandte sich dem nächsten auf dem Stapel zu.
    Punkt zehn Uhr betrat er den Raum, in dem seine Pr i vatsekretärin saß und auf seine Anweisungen für diesen Tag wartete. Miss Lemon war achtundvierzig und eine wenig anziehende Ersche i nung. Man hatte bei ihr den Eindruck, eine Menge Knochen seien aufs Geratewohl zusammengesetzt worden. Ihre leidenschaftliche Or d nungsliebe war fast so groß wie die Poirots und obwohl sie durchaus fähig war, selbststä n dig zu denken, dachte sie nie, wenn man sie nicht e i gens dazu aufforderte.
    Poirot reichte ihr die Morgenpost. »Seien Sie so freun d lich, Mad e moiselle, auf all diese Briefe korrekte Absagen zu erteilen.«
    Miss Lemon überflog die verschiedenen Schreiben und versah jedes mit einem unleserlichen Gekritzel. Die Not i zen waren in e i nem nur ihr bekannten Code abgefasst: Honig um den Mund schmieren, Ohrfeige, Purr purr, kurz und Ähnliches. Nachdem das erledigt war, nickte sie und wartete, aufblickend, auf weitere Informationen.
    Poirot reichte ihr Amelia Barrowbys Brief. Sie zog ihn aus dem doppelten Umschlag, las ihn und sah ihren Chef fragend an.
    »Ja, Monsieur Poirot?« Ihr Bleistift schwebte einsatzb e reit über dem Stenoblock.
    »Was halten Sie von diesem Brief, Miss Lemon?«
    Mit leichtem Stirnrunzeln legte sie den Bleistift weg und las den Brief noch einmal.
    Der Inhalt eines Briefes hatte für Miss Lemon keine r lei private B e deutung und interessierte sie nur, weil sie eine entsprechende Antwort schreiben musste. Nur sehr se l ten beanspruchte ihr Arbeitgeber ihre mensc h lichen und nicht nur ihre beruflichen Fähigkeiten. Miss Lemon ä r gerte sich jedes Mal darüber, denn sie war eine fast pe r fekte M a schine und interessierte sich überhaupt nicht für die Angelegenheiten ihrer Mitme n schen. Ihre einzige wahre Leidenschaft galt der Ve r vollkommnung eines Ablagesystems, neben dem alle anderen Ablagesy s teme in Vergessenheit geraten würden. Sie träumte sogar nachts von einem solchen Sy s tem. Dennoch war Miss Lemon fähig, über rein menschliche Angelegenheiten recht inte l ligente A n sichten zu äußern, wie Poirot sehr gut wusste.
    »Nun?«, fragte er.
    »Alte Dame«, sagte Miss Lemon. »Hat ziemliches Fracksausen.« Sie warf einen kurzen Blick auf die be i den Umschläge.
    »Tut sehr geheimnisvoll«, fügte sie hinzu. »Und ve r rät Ihnen übe r haupt nichts.«
    »Ja«, sagte Hercule Poirot, »das ist mir aufgefallen.«
    Wieder schwebte Miss Lemons Hand hoffnungsvoll über dem St e noblock. Diesmal reagierte Poirot darauf.
    »Schreiben Sie ihr, es werde mir eine Ehre sein, sie au f zusuchen, wann immer sie will, es sei denn, sie ziehe es vor, zu mir zu ko m men. Tippen Sie den Brief nicht, schreiben Sie ihn mit der Hand.«
    »Ja, Monsieur Poirot.«
    Poirot brachte noch mehr Korrespondenz zum Vo r schein. »Das sind Rechnungen.«
    Miss Lemons tüchtige Hände sortierten sie rasch. »Ich bezahle alle, außer diesen beiden.«
    »Warum nicht diese beiden? Sie sind in Ordnung.«
    »Das sind Firmen, bei denen ich seit kurzer Zeit einka u fe. Es macht einen schlechten Eindruck, sofort zu beza h len, wenn man erst kürzlich ein Konto eröffnet hat. E r weckt den Anschein, als hätte man es darauf abgesehen, später Kredit zu bekommen.«
    »Ah!«, murmelte Poirot. »Ich verneige mich vor Ihrer überleg e nen Kenntnis britischer Geschäftsleute.«
    »Es gibt nicht viel, das ich nicht über sie weiß«, sagte Miss L e mon grimmig.
    Der Brief an Miss Amelia Barrowby wurde pünktlich geschrieben und abgeschickt, aber es kam keine An t wort. Vielleicht, dachte Poirot, hat die alte Dame das Gehei m nis selbst enträtselt. Dennoch war er ein wenig übe r rascht, weil sie, falls das der Fall war, keine höfliche A b sage in dem Sinn geschrieben hatte, dass sie seiner Dien s te nun doch nicht bedürfe.
    Fünf Tage später sagte Miss Lemon, nachdem sie ihre Anweisungen für den Tag bekommen hatte: »Kein Wu n der, dass diese Miss Ba r rowby nicht antwortet. Sie ist tot.«
    »Ach – tot«, entgegnete Poirot sehr leise. Es klang eher wie eine Antwort, nicht wie eine Frage.
    Miss Lemon öffnete ihre Handtasche und nahm den Teil einer Ze i
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