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Poirot Rechnet ab

Poirot Rechnet ab

Titel: Poirot Rechnet ab
Autoren: Agatha Christie
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beauftragt, dies zu tun. Sie dürfen mir glauben, dass ich mich größter Zurückhaltung befleißigen werde. Würden Sie mir kurz die traurigen Ereignisse des vergangenen Mittwochs erzählen?«
    »Ich zog mich gerade zum Tee um, als mein Mädchen heraufkam – einer der Gärtner war ins Haus gelaufen… Er hatte ihn gefunden…«
    Ihre Stimme wurde immer leiser. Poirot presste ihre Hand voller Mitgefühl.
    »Ich verstehe. Es ist gut. Sie hatten Ihren Gatten vorher am Nachmittag gesehen?«
    »Nach dem Lunch nicht mehr. Ich war ins Dorf hinuntergegangen, um Briefmarken zu kaufen, und ich glaube, er war im Garten.«
    »Er schoss Nebelkrähen?«
    »Ja, er nahm gewöhnlich seine kleine Flinte mit, und ich hörte einen oder zwei Schüsse aus der Entfernung.«
    »Wo ist diese kleine Flinte jetzt?«
    »In der Halle, glaube ich.«
    Sie ging mit ihm in die Halle, und Poirot untersuchte die kleine Waffe aufmerksam.
    »Zwei Patronen fehlen«, bemerkte er und gab sie zurück.
    »Und jetzt, Madame, wenn…«
    Er machte eine taktvolle Pause.
    »Das Mädchen wird Sie führen«, murmelte sie und wandte ihren Kopf ab. Das herbeigerufene Hausmädchen führte Poirot die Treppe hinauf. Ich blieb mit der schönen und unglücklichen Frau zurück. Es war sehr schwierig, herauszufinden, ob sie unterhalten sein oder in Ruhe gelassen werden wollte. Ich versuchte, ein oder zwei allgemeine Betrachtungen anzubringen, aber sie antwortete nur zerstreut, und in wenigen Minuten kam Poirot zu uns zurück.
    »Ich danke Ihnen, Madame, für Ihre Freundlichkeit. Ich denke nicht, dass wir Sie weiterhin behelligen müssen. Sind Sie übrigens mit der finanziellen Lage Ihres verstorbenen Gatten vertraut?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nicht im Geringsten. Ich bin in allen geschäftlichen Dingen sehr unerfahren.«
    »Ich verstehe. Dann können Sie uns also auch nicht sagen, weshalb Ihr Gatte sich so plötzlich entschloss, eine Lebensversicherung abzuschließen? Er hatte früher nie daran gedacht, wie ich weiß.«
    »Doch. Wir waren zwar nur etwas über ein Jahr verheiratet, aber ich kenne die Beweggründe, warum er sich versichern ließ. Er war überzeugt dass er nicht mehr lange leben würde. Er ahnte seinen frühen Tod. Ich erfuhr, dass er schon einmal eine Blutung gehabt hatte, und er wusste, dass eine Wiederholung gefährlich werden konnte. Ich versuchte immer, seine düsteren Befürchtungen zu zerstreuen, aber ohne Erfolg. Ach, er hatte nur zu Recht!«
    Mit Tränen in den Augen verabschiedete sie uns. Poirot machte eine charakteristische Handbewegung, als wir die Auffahrt zusammen hinuntergingen.
    »Eh bien, so ist das! Zurück nach London, mein Freund, es gibt scheinbar keine Maus in diesem Mauseloch. Und doch…«
    »Was?«
    »Einen leichten Widerspruch, das ist alles! Haben Sie es bemerkt? Nicht? Ja, das Leben ist voller Widersprüche, und sicherlich hat der Mann sich nicht selbst das Leben genommen – es gibt kein Gift, das den Mund mit Blut füllt. Nein, nein, ich muss resignieren und mich mit der Tatsache abfinden, dass hier alles klar ist und über jeden Zweifel erhaben, aber… wer ist das?«
    Ein großer, junger Mann schritt die Auffahrt herauf auf uns zu. Er ging achtlos an uns vorüber. Ich bemerkte, dass er ungewöhnlich gut aussah; er hatte ein hartes, tiefgebräuntes Gesicht, als hätte er bisher in den Tropen gelebt. Ein Gärtner, der Blätter zusammenharkte, sah ihm nach, und Poirot lief schnell auf ihn zu.
    »Sagen Sie mir bitte, wer ist dieser Herr? Kennen Sie ihn?«
    »Ich erinnere mich nicht an seinen Namen, Sir, obwohl ich ihn gehört habe. Er war letzte Woche eine Nacht hier. Am Dienstag.«
    »Schnell, lieber Freund, wir wollen ihm folgen«, sagte Poirot zu mir.
    Wir eilten die Auffahrt wieder hinauf, hinter der entschwindenden Gestalt her. Der Schimmer einer schwarz angezogenen Figur wurde auf der Terrasse an der Seite des Hauses sichtbar, und unser Mann bog ab. Wir folgten und wurden so Zeugen der Begegnung.
    Mrs Maltravers taumelte beinahe, und ihr Gesicht wurde blass. »Sie«, stammelte sie. »Ich dachte, Sie wären auf See – unterwegs nach Ostafrika?«
    »Ich erhielt Nachrichten von meinem Rechtsanwalt, die mich zurückgehalten haben«, erklärte der junge Mann. »Mein Onkel in Schottland starb unerwartet und hinterließ mir etwas Geld. Unter diesen Umständen hielt ich es für besser, meine Reise zu verschieben. Dann las ich die bösen Nachrichten in der Zeitung und kam her, um zu sehen, ob ich etwas für Sie tun könnte.
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