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Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht

Titel: Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
Autoren: Julie Kagawa
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Zeitverschwendung, nach etwas Derartigem zu fragen. Also werde ich dich stattdessen bitten, mir etwas zu bringen, das einem anderen wichtig ist.«
    Verwirrt blinzelte ich sie an. »Was?«
    »Ich wünsche, dass du mir ein Kleinod bringst. Das ist sicherlich nicht zu viel verlangt.«
    »Ääähhh …« Hilflos sah ich zu Ash. »Was ist ein Kleinod?«
    Das Orakel seufzte. »Immer noch so ahnungslos.« Sie warf Ash einen fast mütterlich wirkenden, tadelnden Blick zu. »Ich hoffe, in Zukunft werdet Ihr sie besser unterweisen, junger Prinz. Nun hör mir zu, Meghan Chase, und ich werde dich an überliefertem Wissen der Feen teilhaben lassen.« Sie nahm mit ihren knochigen Krallenfingern einen Schädel von einem Tisch. »Die meisten Dinge sind genau das: banal, gewöhnlich, alltäglich. Nichts Besonderes. Jedoch …« Mit einem dumpfen Knall setzte sie den Schädel wieder ab und nahm vorsichtig einen kleinen Lederbeutel zur Hand, der mit einer Schnur verschlossen war. Als sie ihn hochhielt, hörte ich kleine Steine oder Knochen darin klappern. »Gewisse Dinge wurden von Sterblichen derart geliebt und geschätzt, dass sie zu etwas gänzlich anderem wurden – zu einem Symbol dieses Gefühls, sei es nun Liebe, Hass, Stolz oder Angst: eine Lieblingspuppe oder das Meisterwerk eines Künstlers. Und manchmal, wenn auch selten, wird dieser Gegenstand so wichtig, dass er ein Eigenleben entwickelt. Es ist so, als bliebe ein Teil der Seele des Sterblichen zurück, als bliebe er an diesem früher so gewöhnlichen Gegenstand haften. Wir Feen nennen diese Gegenstände Kleinode und sie sind äußerst begehrt, denn sie geben einen ganz speziellen Schein ab, der niemals verblasst.« Das Orakel trat zurück und schien mit den Sammlerstücken an den Wänden zu verschmelzen. »Bring mir ein Kleinod, Meghan Chase«, flüsterte es, »dann werde ich dir deine Erinnerung zurückgeben.«
    Dann war die Alte verschwunden.
    Fröstelnd rieb ich mir die Arme und drehte mich zu Ash um, der sehr nachdenklich wirkte. Er starrte immer noch auf die Stelle, wo das Orakel verschwunden war.
    »Großartig«, murmelte ich. »Also, wir müssen so ein Kleinoddingsda finden. Ich schätze mal, die liegen nicht einfach so herum, oder? Irgendwelche Vorschläge?«
    Er erwachte aus seiner Trance und sah auf mich herunter. »Eventuell weiß ich, wo wir eines finden können«, erklärte er immer noch nachdenklich und sehr ernst. »Diesen Ort besuchen Menschen allerdings nicht besonders gern, vor allem nicht bei Nacht.«
    Ich lachte. »Wie, meinst du etwa, ich käme damit nicht klar?«
    Er zog eine Augenbraue hoch und ich warf ihm einen bösen Blick zu.
    »Ash, ich war schon in Arkadia, Tir Na Nog, dem Gestrüpp, dem Zwischenraum, dem Eisernen Reich, in Machinas Turm und auf den Schlachtfeldern des Nimmernie. Ich denke nicht, dass es noch einen Ort gibt, der mir Angst machen könnte.«
    Ein belustigtes Funkeln erschien in seinen Augen, eine wortlose Herausforderung an mich. »Nun gut«, sagte er, während er mich nach draußen führte. »Dann folge mir.«
    Die Stadt der Toten lag vor mir, kahl und schwarz unter einem runden gelben Mond und dampfend in der feuchten Luft. Unzählige Grüfte, Gräber und Mausoleen säumten die schmalen Wege, einige liebevoll geschmückt mit Blumen, Kerzen und Gedenktafeln, andere völlig verwahrlost und verfallen. Ein paar sahen aus wie Miniaturhäuser oder sogar wie winzige Kathedralen mit Türmchen und Steinkreuzen, die sich dem Himmel entgegenstreckten. Engelsstatuen und weinende Frauengestalten sahen von den Dächern herab, entweder ernst oder schmerzerfüllt und traurig. Ihre dunklen Augenhöhlen schienen mich auf meinem Weg zwischen den Gräbern zu verfolgen.
    Ich sollte wirklich lernen, meine große Klappe im Zaum zu halten, dachte ich, während ich Ash die schmalen Pfade entlang folgte und mir jedes Geräusch und jeder verdächtig wirkende Schatten einen Schauer über den Rücken jagte. Eine warme Brise flüsterte zwischen den Gräbern, wirbelte Staub auf und ließ tote Blätter über den Boden tanzen. Meine viel zu lebhafte Fantasie arbeitete auf Hochtouren und ließ mich zwischen den Grabreihen schlurfende Zombies und quietschende Steintüren sehen, die sich langsam öffneten, während Skeletthände nach uns griffen. Zitternd drückte ich mich an Ash, dem es frustrierenderweise überhaupt nichts auszumachen schien, mitten in der Nacht über einen Friedhof in New Orleans zu wandern. Ich spürte, wie er sich im Stillen über mich
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