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Plattenbaugefühle: Jugendroman

Plattenbaugefühle: Jugendroman

Titel: Plattenbaugefühle: Jugendroman
Autoren: Jannis Plastargias
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sicher auffallen. Ich sehe ein bisschen wie ein Skaterboy im Film ›Paranoid Park‹ aus, in dem der Hauptdarsteller in arge Schwierigkeiten gerät, als er das erste Mal Bahnsurfen ausprobiert. Wieso denke ich an ihn? Heute finde ich mich selbst merkwürdig: Wieso denke ich ausgerechnet an diesen Film? Und warum hatte ich diesen seltsamen Traum? Ich schnappe mir die neue Umhängetasche, »von ›zwei‹, einer Marke aus Darmstadt«, meinte meine Mutter. Die Tasche ist in einem knalligen Grün, wie ein kleiner Giftfrosch. Meine Mutter macht so etwas gerne: mir Taschen kaufen und sie mit Plunder bestücken, den ich vermutlich niemals brauchen werde, so wie diesen teuren schicken Füller, den ich gerade aus der Tasche krame. Das letzte Mal habe ich in der Grundschule mit einem Füller geschrieben! Aber sie scheint das zu brauchen, wenn sie sich schon nicht anderweitig um mich kümmert – glaubt sie mir damit Geborgenheit zu schenken? Es ist merkwürdig, einerseits macht sie immer auf ›Freundschaft, Aufmerksamkeit, Wärme ist alles – Liebe überall, das ist das Wichtigste auf der Welt‹, und andererseits sind ihr materielle Werte genauso wichtig wie meinem Vater. Anders meine Omama, die mich gelehrt hat, Menschen wichtiger zu nehmen als Gegenstände. Ich schwanke immer zwischen diesen Einstellungen. Mir sind schöne Klamotten wichtig, ich wollte gerne einen großen Fernseher haben und nun? Lieber keinen tollen neuen Flatscreen-Fernseher, dafür hätte ich gerne meinen Freund Fabian zurück. Ob ich das alles ohne Omama schaffe?
    Frühstücken? Nein, ich hole mir etwas in der Schule. Durch das offene Fenster dringt ein laues Lüftchen, die Sonne scheint auch schon, trotzdem wickle ich meinen weißen Schal locker um meinen Hals. Der Schal passt gut zu meinem Outfit. Es ist der gleiche Schal wie aus meinem merkwürdigen Traum.

    Aus unserer Haustüre heraus trete ich ins ›K6‹ – »Sie haben in diesem Stadtteil Planquadrate«, hatte mir Mama gleich als erstes erklärt. Aber wirklich ›nice‹ ist das nicht hier, obwohl wir ein großes Haus nur für uns haben – eines von siebzehn gleichgebauten roten Backsteinhäusern. Ich laufe an den anderen Häusern vorbei, die etwas ›ökmök‹ sind, wie Fabian und ich solche Leute und Dinge nennen, die ganz alternativ und Ich-bin-Grünen-Wähler-mäßig aussehen. Ökmök – ein bisschen wie meine Mutter, muss ich schmunzeln – aber bei ihr ist es etwas cooler, finde ich.
    Ich laufe an einem großen weißen Haus vorbei, in dem sich eine griechische Gaststätte namens ›Olympia‹ befindet. Dann Plattenbauten rechts und links. Potthässliche Gardinen überall, in ätzenden Farben, auf den Parkplätzen schrottreife Karren, dazwischen fette Daimler. Irgendwie erinnert mich das an den Film ›Schwarze Katze, weißer Kater‹ von Emir Kusturica, in dem es um Zigeuner geht, die fette Goldzähne haben und solche Autos fahren.
    Ich schalte meinen iPod ein, der weiß wie mein Schal ist. Ein bisschen Fleet Foxes, New Hippie-Musik, die mir gute Laune macht, ›handgemachte Musik‹, möglichst ohne Elektronik und mit zartem Gesang. Die ziehen sich so an wie die Musiker und Künstler in den sechziger Jahren, singen von der Natur und zurück zu den Wurzeln, von den wahren Werten. In einem Video sieht man sie in einem Schuppen, mit vielen Tieren, alle Bandmitglieder tragen Bärte und karierte Hemden. Dabei fällt mir ein, dass ich mein Handy nicht dabei habe. Aber wozu sollte ich es brauchen? Fabian rufe ich erst heute Abend an.
    Dort kommt schon das dämliche kleine öde Einkaufszentrum – links von ihm über die Straße ist so ein weißes einstöckiges Haus. Scheint ein Jugendzentrum zu sein. Super! Vor mir laufen kleine Kopftuch-Mädels. In meiner Klasse war eher die Blauaugen-Fraktion vertreten.
    Wow! Die Schule sieht gar nicht übel aus. Alles verglast, sehr ›stylisch‹. Einen Kiosk gibt es auch. Soll ich an ihm vorbei und dann nach oben? Oder rechts herum? Ich gehe rechts die Treppe hinauf. Was kommt nach der Treppe? Ich laufe weiter. Kunstraum. Super! Und weiter? Oh, die Schulbibliothek. Und die Stadtteilbibliothek. Naja, an Büchermangel werde ich nicht leiden. Muss ich mir gleich nachher einen Ausweis machen lassen.
    Jeder Jahrgang hat seinen eigenen Trakt. Nur die 9er und 10er nicht. Die sind zusammen. Auch hier ist alles neu und noch ganz edel. Ich schaue mich um und sehe das Schild für die 10 b.

    »Was willste hier, Alda?« Ein Junge mit Jogginghosen und weißen
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