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Planeten-Flieger

Planeten-Flieger

Titel: Planeten-Flieger
Autoren: Nikolaus Reitter
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nicht zum Fußboden hinunter, sondern blieb in der Luft stehen. Die Milch, die er hervorprustete, schwirrte in Tröpfchen durch den Raum, ohne zu Boden zu fallen. Der Dampf, der aus den Ritzen der Kochtöpfe quoll, stieg nicht mehr zur Decke, sondern sammelte sich um die Töpfe an. Otto, dem vom Verschlucken die Augen tränten, wollte sich mit der Hand übers Gesicht fahren; aber er mußte es erst zweimal versuchen, bis er mit seiner Hand, die ihm immer über seinen Haarschopf hinaufgleiten wollte, die Augen fand.
    „Festhalten!" schrie der Proviantmeister die Jungen an. Die Erschütterungen der Explosionen begannen das Schiff wieder zu durchzittern. Die blecherne Tasse schwebte von Otto fort und blieb mit hellem Knack an der Wand hängen. Dem Proviantmeister und den Jungen wurden die Beine vom Boden weggezogen, und ihre Körper hingen von den Handgriffen, an denen sie sich hielten, wagrecht in die Küche hinein. „Jetzt wendet unser Schiff sich um", sagte der Meister. „Vorsicht, gleich fallen wir wieder in die alte Lage zurück!" Und richtig, nach wenigen Augenblicken fielen ihre Füße wieder herab, die Tasse schlug auf dem Fußboden auf, der Dampf stieg zur Decke empor, und die Milch klatschte herunter. Alles war wieder wie zuvor.
    Kurze Zeit darauf trat Ingenieur Beck herein, um nach seinen Schüblingen zu sehen und sich davon zu überzeugen, daß sie bei dem Manöver nicht Schaden gelitten hatten. Die Jungen bestürmten ihn mit Fragen, und Onkel Karl blieb ihnen keine Antwort schuldig. Das Flugschiff hatte sich seit dem Aufstieg von der Erde mit ständig wachsender Geschwindigkeit vorwärts bewegt und sauste nun mit solch ungeheurer Schnelligkeit durch den Sternenraum, daß man seine Fah rt fünf Tage lang vermindern mußte, um am Mars anhalten und eine Landung versuchen zu können. Da hatte man einfach das Flugschiff gegen seinen bisherigen Kurs gewendet; und in demselben Maße, wie die Explosionen bisher das Schiff immer rascher vorwärts getrieben hatten, verminderten sie nun allmählich den gewaltigen Schwung, mit dem es, ohne Widerstand zu finden, durch den luftleeren Raum glitt.
    „Werden wir auf dem Mars ausgesetzt?" fragte
    Otto ein wenig ängstlich.
    „Unsinn", sagte Onkel Karl. -

    Die fünf Tage vergingen schnell, ohne daß etwas Unvorhergesehenes sich ereignete. Die Jungen hatten alle Hände voll zu tun und fühlten sich wohl dabei. Denn die Männer der Expedition waren freundlich gegen ihre pflichteifrigen Helfer. Besonders Onkel Karl sorgte dafür, daß es ihnen an nichts fehlte. Und der dicke, gutmütige Proviantmeister steckte ihnen heimlich allerlei Kleinigkeiten zu; denn er wußte, daß ein Junge sich gern mal was zu Gemüte führt und doch nicht mag, daß man darüber redet. Oft durften sie mit Ferngläsern den Sternenhimmel betrachten, der Tag und Nacht tiefschwarz und klarblinkend oben und unten, rechts und links, wohin sie blickten, zu sehen war. Aber ebenso wie die erwachsenen Männer nahmen sie sich in acht, damit keine Sonnenstrahlen ihre Augen berührten. Und sie halfen eifrig, die Fenster mit den Spiegelkläppen abzudichten, wenn sich irgendwo der gefährliche Sonnenschein hereinschleichen wollte.
    Zuweilen saßen sie beieinander an der großen gläsernen Torklappe und wunderten sich darüber, wie anders als von der Erde aus der Sternenhimmel jetzt anzusehen war. Viel dichter und heller war das ganze Blickfeld mit unzählbar vielen Gestirnen besät. Und jeden Tag, bald auch alle paar Stunden konnten sie feststellen, daß sie dem Mars näher kamen. Zuerst hatte er wie ein leuchtender Punkt ausgesehen, dann wie die silberne Scheibe eines Mondes und schließlich war er zur riesenhaften Kugel gewachsen. Längst konnten sie mit dem bloßen Auge die hellen Eisgebiete an den Polen des Sternes und seine beiden kleinen Monde erkennen. Die dunklen Streiten der „Marskanäle" waren auseinandergewichen zu vielen kleinen Flecken, deren Bedeutung sie indessen noch nicht aufklären konnten. Und schon vermochten sie Meere, Ströme, Wolken und an den Rändern der sichtbaren Kugelhälfte steilgezackte Gebirge zu unterscheiden. Wenn die beiden Freunde zur Erde hinschauten, die nur noch als hell leuchtender Punkt, als Stern unter unzähligen anderen Sternen zu erblicken war, dann wanderten ihre Gedanken oft die vielen Millionen Kilometer ihrer rasenden Reise zurück und kehrten ein in ihrem Elternhaus und bei der Großmutter, in ihrer Schule und den heimatlichen Gärten und Wäldern. Ob die
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