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Planet am Scheideweg

Planet am Scheideweg

Titel: Planet am Scheideweg
Autoren: Hans Kneifel
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ruhig.
    »Zweihundertneunzig Meter!« las Diona ab.
    »Ziemlich lang!« kommentierte Yebell.
    Er stand am Heck, das Mädchen und der Pilot saßen hinter der geschwungenen Scheibe. Es wurde heißer und heißer. Das salzige Wasser trocknete auf der Haut. Diona griff nach der Schutzlotion und rieb sich, während sie Yebell beobachtete, Arme und Schultern ein.
    »Achtung! Er kommt!« sagte Yebell.
    Die Leine verlief wie eine Verlängerung des Kiels, also entlang der Längsachse der kleinen ARCHÄOPTERYX. Jetzt kam die Leine höher, der Winkel wurde spitzer, und knapp dreihundert Meter entfernt sprang der Saghir in die Luft. Wie eine dunkle Spindel mit weißem Streifen schraubte er sich hoch und rollte sich in die Leine ein. Yebells Arme ruckten nach hinten, und die Zähne des Getriebes griffen ein. Die Trommel drehte sich in entgegengesetzter Richtung und zog den Fisch ans Boot heran, gleichzeitig bewirkte der Zug der Maschine und des treibenden Bootes, daß sich auch der Fisch drehte.
    »Ein riesiger Bursche!« rief der Pilot.
    Für ihn war es in den Pausen zwischen den Flügen immer wieder ein Vergnügen, mit den Leuten von Chiriana Iwaki zu sprechen oder bestimmte Dinge zu unternehmen. Dshina Iwaki könnte so schön sein wie diese Zone hier am Binnenmeer, das eigentlich keines war, wie diese hundertfünfzig mal hundert Kilometer große Zone, die seit eineinhalb Jahrhunderten bearbeitet wurde.
    »Nicht nur das. Außerdem sehr schwer. Das Fleisch wird verdammt gut schmecken!« warf Yebell ein und stieß den langen Hebel wieder nach vorn. Die Trommel hielt an, das Seil spannte sich wie eine Stahlsaite.
    Der Fisch überschlug sich nach einem Halbkreis und tauchte wieder ein. Nur noch zweihundertvierzig Meter lang war das Tau. Yebell gab ein Zeichen, und die Kraft der beiden Düsenstrahl-Wassertriebwerke begann voll einzusetzen. Das Boot machte Fahrt und lief in die Richtung auf den Hafen zu, zwanzig oder dreiundzwanzig Seemeilen entfernt. Summend wie eine Hornisse spannte sich das Tau, zischend schnitt es in das Wasser.
    »Der Kampf wird länger dauern als dreißig Minuten!« sagte Yebell laut. »Ich ahne es!«
    Sie befanden sich auf der einzigen, etwa zweihundert Kilometer von der Landzunge entfernten Fläche, die den Menschen einigermaßen normale Lebensbedingungen bot. Chiriana Iwaki war eine ungastliche und ausgebeutete Welt, die nur zwei positive Punkte kannte: Wasser und Luft waren dem menschlichen Organismus zuträglich, Oberflächenschwerebeschleunigung und Sonneneinstrahlung ebenfalls. Der Planet war rund 229 Millionen Kilometer von seiner Sonne entfernt, und seine Durchschnittstemperatur lag tiefer als die von Dshina Iwaki. Aber da sich die Polachse kaum gegen die Ekliptik neigte, die Siedlung zudem auf der Äquatorlinie geschnitten wurde, bedeutete dies einen Ausgleich.
    »Nicht zu lange – ich habe morgen früh einen Start!« rief Yahai.
    Diona zündete eine Zigarette an, stand halb auf und schob sie Yebell zwischen die Lippen. Le Monte hantierte mit Bremse, Arretierung und Ganghebel. Er stellte sich auf den Gegner an der Leine ein. Ließ der Fisch nach, zog er ihn näher ans Boot heran, das seinerseits den Fisch in die Richtung des Hafens drillte. Zog der Fisch an oder tauchte er unter, gab Yebell Leine zu. Minuten um Minuten vergingen in diesem nervenzermürbenden, faszinierenden Kampf. Der Fisch selbst konnte mit seiner Kraft das Boot umwerfen und die Schwimmenden mit Schlägen seiner Schwanzflossen töten. Der Kampf ging unentschieden hin und her, und der Verlierer stand noch lange nicht fest.
    »Danke! Eine importierte Wohltat!« sagte Le Monte zwischen den Zähnen. Er konnte keine Hand von den Hebeln nehmen.
    Yebell Le Monte war der Chefplaner der Umwelt von Chiriana Iwaki, der kleinen Welt des Zwei-Planeten-Systems. Er war Biometriker; Fachmann für biologisch-statistische Fragen, für Planung und Interpretation und Analyse komplexer biologischer Systeme. Im Lauf der Zeit hatte diese Berufsbezeichnung eine Art Wandlung ins Praktische hinein erfahren – ein Großteil der Ausführung auf jener Lebenszone war Yebells Werk. Er verteidigte Blacklanders Idea mit aller Kraft. Er war ein großer, schlanker Mann mit breiten Schultern und einem keineswegs gutgeschnittenen Gesicht, das aber zu seiner Erscheinung paßte. Er hatte dunkle blaue Augen unter kastanienfarbenen, dichten Brauen, die irgendwie fragend hochgezogen schienen, eine starke Nase mit einem leichten Knick im Nasenrücken, einen skeptischen Mund
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