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Piratenblut

Piratenblut

Titel: Piratenblut
Autoren: Bernst Guben
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sagte er. »Mein Schiff ist soweit klar, daß wir morgen früh segeln können. Allerdings, der Schiebemast funktioniert noch nicht wieder. Ich glaube, daß es auch noch eine Weile dauern wird, bis wir genügend Zeit haben, ihn vollständig wiederherzustellen.« »Ihr werdet also weiter gegen van Groots Flottenreste ziehen?«
    René blickte ein wenig unsicher zu Boden. Doch dann hob er den Blick.»Oui, Monsieur. Leider hängt es nicht von mir allein ab. Meine Leute« — er lächelte — »wollen nicht eher ablassen, als bis von van Groots Reederei nicht mehr als der Name in den Schiffsregistern übrig ist. Bien, jeder ist der Herr seines eigenen Schicksals. Wir können ihm nicht ausweichen, und wir wollen es auch nicht. Ich schätze Euch, Monsieur. Eure Ansichten sind eine sehr menschliche Philosophie; aber ich vermag sie nicht zu teilen.« Michel reichte ihm die Hand.
    »Ich werde Euch trotzdem in gutem Andenken behalten. Lebt Eurer Rache, Monsieur. Nur seht Euch vor, daß sie Euch nicht eines Tages selber trifft. Und im übrigen noch meinen herzlichen Glückwunsch. Die Gräfin berichtete mir, daß Ihr Euch mit jenem tapferen Mädel verlobt habt.« René lachte.
    »Ja, Ellen-Rose ist die richtige Frau für mich. Sie ist zwar Holländerin, aber ich kämpfe ja nicht gegen die Holländer, sondern nur gegen einen Lumpen, der zufällig ein Holländer ist. Er könnte geradesogut ein Franzose oder ein Deutscher sein. Soweit habe ich von Euch gelernt: die Nation ist nichts, der einzelne ist alles. Bon soir, Monsieur, und gute Reise!« »Merci bien, ich wünsche Euch das gleiche.«

    72

    Im Hause van Meeren herrschte einige Wochen später große, jedoch nicht zu große Trauer. Der Resident hatte ein umfangreiches Paket erhalten.
    Niemand wußte, wie es plötzlich auf seinen Schreibtisch gekommen war. Er schnürte es mit hastigen Fingern auf. Obenan lag ein Brief. Er legte ihn beiseite. Ihn interessierte der übrige Inhalt mehr.
    Er stieß einen Schrei der Überraschung aus. Eine Unmenge großer und kleiner Diamanten rieselte ihm durch die Finger.
    »Und das soll alles mir gehören?« flüsterte er mit glänzenden Augen, »alles mir, unfaßlich, unfaßlich!«
    Als er sich erholt hatte, öffnete er den Umschlag. Ein Blatt fiel ihm entgegen.

    Sehr geehrter Mynheer van Meeren, sehr geehrte Juffrouw Jessie!

    Monsieur René de Musset, Ihr zukünftiger Schwiegersohn und Verlobter, konnte es nicht lassen, seine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken, obwohl es nie in meiner Absicht gelegen hat, ihn zu schädigen oder sein Schiff anzugreifen. Bei unserem letzten Zusammentreffen wäre es ihm fast gelungen, mich für immer von den Gefilden der Ozeane zu vertreiben. Er oder ich, hieß die Parole. Ich konnte keinen Pardon mehr geben, so gern ich auch den Schwiegersohn eines so hochwohllöblichen Hauses wie das der van Meerens geschont hätte. So mußte der Wackere sterben. Dies tat er in meinen Armen, flüsternden Tones, nur mit letzter Anstrengung, schilderte er mir die mißliche Lage, in die ich seine zukünftige Schwiegerfamilie durch meine
    Unternehmungen gegen den Reeder van Groot gebracht hätte. Dann schloß er die Augen — — für immer. Da ich von ihm erfuhr, daß Ihr, Mynheer van Meeren, wahrscheinlich der einzige, wirklich schwer geschädigte Gläubiger van Groots seid, möchte ich Euch das Beiliegende als kleine Entschädigung zukommen lassen. Ich hoffe, es wird Euch sowohl über den verlorenen Schwiegersohn als auch über die gesunkenen Aktien trösten. Grüßt mir auch Eure Tochter Jessie und drückt ihr mein Bedauern aus, daß ich ihr den geliebten Mann wegnehmen mußte.

    In tiefer Ergebenheit Dieuxdonné, der Pirat

    Sowohl Cornelia van Meeren als auch ihre Tochter Jessie waren sprachlos über den plötzlichen Reichtum. Aber zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß Jessies erste Tränen echt waren. Der Vater vermochte sie nur mit dem Hinweis zu trösten, daß sie sich nun praktisch jeden Mann der Gesellschaft aussuchen könne, den sie haben wolle; denn Geld war schon in jenen Zeiten das A und O des Lebens.
    »Ich verzichte auf alles Geld«, schrie Jessie in gerechtem Zorn und großem Schmerz, »du hast ihn in den Tod gehetzt, du hast René in den Tod gehetzt, du bist nicht mein Vater, nein, du bist nicht mein Vater!«
    Der Resident strich seinem Kind beruhigend über die Haare und meinte:
    »Sieh, Jessie, wenn ich nicht mehr dein Vater sein soll, dann bist du auch nicht mehr meine Tochter. Und wenn du nicht meine
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