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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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bettete.
    »Zugleich!«, riefen die Männer unisono, hievten die silbergraue Leichenbahre in Bauchhöhe und machten sich auf den Weg.
    »Gott sei Dank ist die nicht so schwer wie dieser fette Mops von vorgestern. War das eine verflucht anstrengende Schinderei!«, hatte der vordere der beiden Männer gerade gesagt, als er auf einer glitschigen Wurzel ausrutschte und kopfüber in die Brennnesseln stürzte. Der andere Träger kämpfte zwar noch einen Augenblick tapfer um sein Gleichgewicht, konnte aber schließlich doch nicht verhindern, dass der Metallsarg zur Seite kippte und die tote Frau ebenfalls in die Brennnesselbüsche fiel.
    »Das gibt’s doch nicht, werft die Leiche doch gleich die Felsen runter. Wie soll ich denn jetzt noch den genauen Todeszeitpunkt ermitteln? Wirklich toll: Die Leichenstarre ist gebrochen, mögliche innere Verletzungen beginnen wieder zu bluten, die Leichenflecken verschieben sich und und und«, schimpfte der aufgebrachte Gerichtsmediziner mit wedelnden Armen, der auch durch die devoten Entschuldigungsversuche der beiden Mitarbeiter eines alteingesessenen Kaiserslauterer Bestattungsunternehmens nicht zu besänftigen war. »Ihr verfluchten Stümper! Ich werde persönlich dafür sorgen, dass ihr für das Pathologische Institut garantiert keine Toten mehr transportiert!«
     
    Als Tannenberg drei Stunden später in der Gerichtsmedizin erschien, hatte sich Dr. Schönthaler noch immer nicht beruhigt.
    »Also, Wolfram, obwohl diese dilettantischen Trottel gehörigen Schaden angerichtet haben, kann ich dir schon einiges über die Tote sagen. Habt ihr eigentlich inzwischen eine Vermisstenmeldung?«
    »Nein, bis jetzt ist noch keine eingegangen. Geiger hat alle Dienststellen im Umkreis abgecheckt. Ich kann dir sagen, im Präsidium ist vielleicht die Hölle los! Der Oberstaatsanwalt ist stinksauer, weil er heute ein wichtiges Golfturnier hat. Natürlich will er umgehend und umfassend informiert werden. Der macht mächtig Druck, der will doch …«
    »Ach, der liebe Herr Oberstaatsanwalt, gibt’s den auch noch, so eine Freude«, unterbrach der Gerichtsmediziner.
    »Ja, leider! – Bin ich froh, dass ich bei dir einen wichtigen Termin wahrzunehmen habe«, sagte Tannenberg, nahm ein Skalpell vom Seziertisch und begann, damit vorsichtig auf dem Nagel seines linken Zeigefingers herumzuschaben.
    »Komm, lass das Ding liegen, damit kann man sich böse Verletzungen zufügen – und eine Leiche reicht mir für heute erstmal … Übrigens wusste ich gar nicht, dass wir beide einen festen Termin vereinbart hatten«, entgegnete Dr. Schönthaler mit leicht nach oben gezogenen Mundwinkeln und gab Tannenberg einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Also, Folgendes kann ich dir bereits sagen: Die Tote ist circa 35 bis 40 Jahre alt geworden und befand sich zu Lebzeiten in einem sehr guten gesundheitlichen Zustand. Sie hat wahrscheinlich viel Sport betrieben, ja, man kann sogar behaupten, dass sie ziemlich durchtrainiert war. Die Zähne sind tadellos in Ordnung. – Aber das interessiert dich alles wahrscheinlich weniger als das Folgende: Das Opfer muss irgendwo festgebunden, ja, oder vielmehr festgeschnallt gewesen sein – darauf deuten die Hautabschürfungen an Fußfesseln, Handgelenken, Oberkörper und Beinen hin. Außerdem hab ich an diesen Stellen Einblutungen und zerstörtes Unterhautgewebe gefunden. Und, Wolfram, das ist natürlich für dich auch sehr interessant: Schau dir mal die Fersen an«, sagte der Gerichtsmediziner und deutete auf die Füße der Toten.
    Tannenberg blickte auf die blutverkrusteten Fersen und konnte zunächst nichts Auffälliges erkennen. »Na gut, die müssen wohl so aussehen, wenn der Täter die Frau ein paar Meter über den Boden geschleift hat.«
    »Ja, aber das ist nicht das Entscheidende. Schau mal hier!«, sagte Dr. Schönthaler mit lauter Stimme, ergriff eine Pinzette und zupfte damit an der rechten Ferse der Toten herum. »Weißt du, was das ist?«
    »Also, ich seh nix Besonderes.«
    »Was ich hier gerade mit der Pinzette hochhebe, ist ein Teil der Achillessehne der Toten.« Um seiner Äußerung nachhaltigeren Ausdruck zu verleihen, legte der erfahrene Pathologe eine kurze Sprechpause ein. »Und das bedeutet?«
    »Ja, Gott, was bedeutet das?« fragte Tannenberg verständnislos.
    »Ganz einfach, der Täter oder die Täterin – ist ja grundsätzlich auch möglich, oder? – hat die Ermordete nicht nur ein paar Meter über den Boden geschleift, sondern viele Meter. Will
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