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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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Nase ziehen!«, schimpfte Tannenberg.
    »Da ist noch der Zeuge, also vielmehr der Mann, der die Frau gefunden hat.«
    »Au Shit, stimmt! Den hätte ich ja fast vergessen. Wo ist der überhaupt?«
    »Der sitzt da hinten in der Hütte.«
    »Ja, dann hol ihn halt mal her, los, los, Bewegung!«
    Kriminalhauptmeister Geiger befolgte umgehend die Anweisungen seines direkten Vorgesetzten und erschien wenige Augenblicke später mit einem hageren, untersetzten Mann im besten Rentenalter.
    »Guter Mann, was machen Sie denn eigentlich in dieser Herrgottsfrühe Sonntag morgens im Wald?«, wollte Tannenberg neugierig wissen.
    »Ja, ich hab halt von meiner Arbeit bei PFAFF immer noch das frühe Aufstehen drin. Da kann ich gar nix dagegen machen, morgens um 6 Uhr werd ich einfach wach – ohne Wecker! Und dann geh ich halt jeden Morgen meine Runde von meinem Haus im Dunkeltälchen über den Humberg zum Pfaffenbrunnen und dann über den Bremerhof nach Hause.«
    »Und heute Morgen, haben Sie da bei Ihrem Spaziergang hier hoch irgendetwas Besonderes bemerkt? Irgendwas, das anders war als sonst – außer der Leiche natürlich?«, fragte Tannenberg ungeduldig.
    »Nein, Herr Kommissar, ich hab die ganze Zeit darüber nachgedacht. Aber es war wirklich wie immer – außer der Toten da natürlich. Ich kann mich an kein besonderes Geräusch erinnern, hab nichts Auffälliges gesehen. Nein, alles war ganz normal«, antwortete der Mann kopfschüttelnd.
    »Gut, dann gehen Sie mal nach Hause. Wir melden uns wegen des Protokolls bei Ihnen; wir haben ja Ihre Adresse.«
    Während der Rentner sich gemächlich in Bewegung setzte, dachte Tannenberg kurz darüber nach, ob er nach seinem Polizeidienst auch als ruheloser Waldläufer enden würde, verscheuchte den deprimierenden Gedanken aber schnell wieder und blickte an den hohen Buchen vorbei auf seine Heimatstadt, die ruhig und friedlich im sanften Talkessel schlummerte.
    Über ihr thronte wie eine mittelalterliche Trutzburg das Fritz-Walter-Stadion, das vor ein paar Tagen zum offiziellen Austragungsort der Fußball-WM 2006 gekürt worden war. Aber Tannenberg konnte sich über dieses von den Würdenträgern der Stadt euphorisch gefeierte Ereignis nicht richtig freuen, denn im Gegensatz zu vielen seiner Mitbürger dachte er bei dem Projekt ›WM in Kaiserslautern‹ nicht an, sicherlich wünschenswerte, wirtschaftliche Impulse für die strukturschwache Region, sondern an Horden vandalierender Hooligans, die Gewalt und Zerstörung in die Stadt brachten. So wie bei der letzten WM in Lens. Den Namen des schwer verletzten französischen Kollegen hatte er zwar vergessen, aber diese schrecklichen Bilder hatten sich gerade in den letzten Tagen immer und immer wieder vor sein geistiges Auge geschoben.
    Während Tannenberg sich gedanklich mit den negativen Begleiterscheinungen moderner Massenveranstaltungen beschäftigte, quälten sich stöhnend und fluchend zwei Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens den steilen, mit Geröll übersäten Weg empor zum Felsplateau des Pfaffenbrunnens, wo sie bereits von Dr. Schönthaler mit mahnenden Worten empfangen wurden. »Wenn Sie nachher die Tote genauso brutal nach unten befördern, wie Sie den Zinksarg eben hierher gebracht haben, kann ich mir eine aufwändige Untersuchung eigentlich ersparen.«
    »Warum muss diese verdammte Leiche auch hier oben auf einem Felsen liegen; konnte die Frau denn nicht einfach direkt unten am Parkplatz ihre schwarze Essenmarke abgeben?«, schimpfte der größere der beiden Männer, während er den mattglänzenden Metallsarg langsam auf den Waldboden herabsinken ließ.
    »Ein klein wenig mehr Pietät, meine Herren, wenn ich bitten dürfte! Seien Sie doch froh, dass der Mörder die Frau nicht auf das Dach des Humbergturms gelegt hat«, gab Tannenberg mit einer Mischung aus Spott und Schadenfreude zu bedenken.
    »Sie haben gut lachen, Sie müssen die Tote ja nicht runterschleppen«, gab der andere Leichenträger genervt zurück und wischte sich eine Heerschar kleiner Schweißtropfen von seiner geröteten Stirn.
    »Ich muss mich mit genügend anderem Mist herumärgern; zum Beispiel mit der Frage, wer diese arme Frau hier vom Leben in den Tod befördert hat«, konterte Tannenberg. »Und bitte Beeilung, denn bald werden die Pressegeier und die ersten Sonntagsausflügler hier aufkreuzen.«
    »Gemach, gemach, Chef, wir tun ja bereits unser Bestes«, entgegnete der Größere, während er gemeinsam mit seinem Kollegen die Tote in den Zinksarg
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