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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses
Autoren: Ellis Peters
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Münze leerte, bevor er die Verfolgung seines Feindes aufnahm? Gewiß hatte er sich vorgestellt, daß die Person, die er bisher gewesen war, ihr Ende finden würde, und weiter konnte er nicht sehen. Nun war er wieder jung, er hatte noch das ganze Leben vor sich und brauchte nur ein wenig Zeit, um wieder zu sich zu kommen.
    Olivier würde ihn zur Abtei zurückbringen, wenn die schlimmste Verzweiflung vorbei war. Denn Olivier hatte versprochen, nicht abzureisen, ohne einige Stunden mit Cadfael verbracht zu haben, und auf Oliviers Versprechungen konnte man sich beruhigt verlassen.
    Und der andere... Cadfael drehte sich noch einmal im Sattel um, nachdem er aufgestiegen war. Er warf einen letzten Blick auf Ciaran, der auf den Knien unter dem Baum hockte, wie sie ihn zurückgelassen hatten. Sein Gesicht war in ihre Richtung gewandt, aber seine Augen waren geschlossen, und er preßte die Hände an die Brust. Vielleicht betete er, vielleicht spürte er auch nur in jeder Faser seines Fleisches das Leben, das ihm geschenkt worden war. Wenn wir alle fort sind, dachte Cadfael, wird er einschlafen, wo er liegt. Er kann nicht mehr, denn er ist in einem Zustand, der sogar jenseits aller Erschöpfung ist. Er wird einschlafen, wo er hätte sterben sollen. Aber wenn er aufwacht, wird er gewiß verstehen, daß er wiedergeboren ist.
    Der langsamere Geleitzug, der die Gefangenen in die Stadt bringen sollte, begann sich zu sammeln, die Fesseln wurden überprüft, und die Fackelträger überquerten die Lichtung, um aufzusitzen. Die flackernden Lichter entfernten sich von der knienden Gestalt, und die Dunkelheit senkte sich über Ciaran, als wäre er vom Stamm der Buche verschluckt worden.
    Hugh führte sie auf die Straße zurück und nahm die Richtung zur Stadt. »Oh, Hugh, ich werde alt!« sagte Cadfael mit einem gewaltigen Gähnen. »Ich will ins Bett.«

15. Kapitel
    Es war schon nach Mitternacht, als sie durchs Torhaus in den großen, bleich im Mondlicht liegenden Hof einritten. In der Kirche hörten sie den Gesang der Frühmette. Sie hatten sich auf dem Rückweg nicht beeilt und kaum gesprochen; sie waren es zufrieden gewesen, wie schon manch anderes Mal, zusammen durch eine Sommernacht oder einen Wintertag zu reiten. Es würde noch eine weitere Stunde dauern, bis Hughs Offiziere die Gefangenen in der Burg von Shrewsbury untergebracht hatten, denn sie mußten sich der Geschwindigkeit der unberittenen Räuber anpassen. Aber Simeon Poer und seine Kumpane würden noch vor dem Morgengrauen sicher hinter Schloß und Riegel sitzen.
    »Ich werde warten, bis die Laudes vorbei sind,« sagte Hugh, als sie am Torhaus von den Pferden stiegen. »Der Vater Abt wird wissen wollen, was geschehen ist. Allerdings hoffe ich, daß er nicht darauf bestehen wird, noch heute nacht die ganze Geschichte zu hören.«
    »Dann kommt mit mir in die Ställe«, erwiderte Cadfael. »Ich will dafür sorgen, daß dieser treue Geselle abgesattelt und versorgt wird, solange meine Brüder noch in der Kirche sind. Ich habe gelernt, immer erst für mein Tier zu sorgen, ehe ich mich selbst ausruhe. Was man einmal gelernt hat, vergißt man sein Leben lang nicht mehr.«
    Das Mondlicht war hell genug, um die Ställe ausreichend zu beleuchten. Die nächtliche Stille und die ruhige Luft trugen jeden Ton des Gottesdienstes leise und klar herüber. Cadfael sattelte sein Pferd ab und brachte es in den Verschlag. Er versorgte es mit Futter und legte ihm eine leichte Decke über den Rücken, damit es sich nicht erkältete; es waren Pflichten, die er jetzt nur noch selten erledigen durfte. Sie erinnerten ihn an andere Pferde und andere Reisen, an Schlachten, die weniger glücklich ausgegangen waren als das kleine aber verzweifelte Gefecht, das gerade gewonnen und verloren worden war.
    Hugh stand mit dem Rücken zum großen Hof und hatte den Kopf schräg gelegt, um zu lauschen. Doch es waren nicht die Geräusche näherkommender Schritte, die ihn plötzlich herumfahren ließen, sondern der schlanke Schatten, der vor seinen Füßen auf das mondbeschienene Pflaster fiel. Melangell stand im Torbogen des Hofes, erschreckt und erschreckend, vom bleichen Mondlicht mit einem Heiligenschein versehen.
    »Kind«, sagte Cadfael besorgt, »warum seid Ihr um diese Zeit nicht im Bett?«
    »Wie könnte ich Ruhe finden?« erwiderte sie; doch es war keine Klage. »Niemand vermißt mich, alle schlafen.« Sie stand still und aufrecht, als hätte sie die langen Stunden, seit er aufgebrochen war, damit
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