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Piesberg in Flammen

Piesberg in Flammen

Titel: Piesberg in Flammen
Autoren: Heinrich-Stefan Noelke
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sie, niemand vermisste sie. Halbwegs nüchtern schlich sie von Haus zu Haus und besah sich den Schaden und die vielen Männer in ihrem Bemühen zu retten, was zu retten war.
    Dann ging sie rüber zum Einsatzleitwagen, denn sie begriff sehr wohl, dass dort die Musik spielte. Ächzend stieg sie ein und setzte sich auf einen Klappstuhl gleich neben dem Eingang. Zunächst beachtete auch hier keiner der Anwesenden die Frau. Es war ihr Schweigen, das schließlich auf sie aufmerksam machte.
    Â»Mutter«, sagte Pieter, sonst war es still.
    Hedi sah in die Runde, öffnete ein paarmal den Mund wie zum Üben, und sprach mit klarer Stimme, als habe sie nun alle verfügbare Geistesgegenwart auf den gewünschten Punkt konzentriert. »Ist denn noch etwas von dem Geld übrig?«, fragte sie. Und als Pieter sich erhob, fügte sie abwehrend hinzu: »Deshalb warst du doch hier, oder nicht? Das war deine Aufgabe. Mehr wollten wir doch gar nicht.«
    Pieter führte Hedi in das Mietshaus zurück und kümmerte sich um sie. Die anderen sahen betreten vor sich hin. »Jetzt wissen wir, worum es ging«, sagte Heeger, und alle nickten.
    * * *
    Am Vormittag des nächsten Tages hatten Feli und Pieter sich mit Schaufeln bewaffnet. Sie luden Carlssons toten Körper auf einen Bollerwagen und zogen ihn durch den Bürgerpark, bis sie eine Stelle fanden, die dem Hund gefallen hätte. Nahe den Mauern der psychiatrischen Landesklinik wurden sie fündig. Der Bürgerpark liegt auf dem Gertrudenberg, und der ist von künstlichen Höhlen und Gängen durchzogen wie ein von Würmern zerfressenes Stück Holz. Dort unten wurde schon Bier gebraut, Kalkstein gehauen und Zuflucht gesucht, als draußen die Bomben fielen. Liebespaare versteckten sich im Berg und Meuchelmörder. Jetzt ist all das verschlossen, es ist zu gefährlich geworden. Ein alter Einstieg befindet sich nahe der Mauer der Klinik, man stelle es sich wie einen Brunnen vor, der durch eine Luke aus Stahl zu ebener Erde verschlossen ist.
    Dies war der Platz, der den beiden als Grab für Carlsson gefiel. Sie gruben ein Loch trotz all dem Fels und den dicken Wurzeln, wohl einen Meter tief und einen Meter lang. Hero Dyk und Karl Heeger kamen am Schluss hinzu und halfen ein wenig.
    Schließlich legten sie den Kadaver hinein und füllten das Grab wieder auf.
    Â»Ich stelle mir vor, dass sein Geist unten in den Höhlen nach Ratten jagt«, sagte Pieter. »Das macht ihm sicher Spaß.«
    So standen die vier und schwiegen, jeder hing seinen Gedanken nach. Feli legte einen Strauß Blumen auf das Grab, den ihr Vater ihr gebracht hatte. Sie hatte ihn darum gebeten.
    Â»Ich wüsste gern«, sagte Hero Dyk und blätterte in seinen Notaten, »wer mich damals niedergeschlagen hat, als ich nachts bei euch in der Siedlung herumschlich.«
    Â»Wann war das?«, wollte Heeger wissen.
    Â»Gleich nach der Party«, sagte Hero Dyk. »Ich konnte nicht schlafen und bin nach Pye rausgefahren.«
    Heeger lachte. »Du bist ein alter Spanner«, sagte er. »Du bist Jacqui nachgestiegen. Du wolltest wissen, ob du bei ihr landen kannst.«
    Hero Dyk lachte ebenfalls, wurde aber rot im Gesicht. Das wiederum amüsierte Feli sehr.
    Â»Wie süß!«, rief sie.
    Â»Ich weiß es nicht«, sagte Pieter.
    Heegers Telefon klingelte. Lena war am Apparat. Sie rief alle zum Mittagessen in den Ickerweg. Auch Pieter. Ganz besonders er sei eingeladen, der Held vom Piesberg.
    Sie brachten die Schaufeln in das Gärtnerhaus zurück und trotteten zu den Fahrzeugen, als Heeger sie noch kurz aufhielt.
    Â»Einen Moment«, sagte er. »Was mir unklar ist: Wie kamen die Brandmaschinen in das ›Old Hedi’s‹? Wer hat sie dorthin gebracht?«
    Â»Ich war das«, meldete sich Pieter zu Wort. »Ich wollte ihn hindern, weitere Brände zu legen, aber ich durfte ihn nicht verraten. Er war mein Bruder.«
    Alle nickten. Dann machten sie sich auf zum Mittagessen. Später bat Pieter darum, etwas von den Resten für seine Mutter mitnehmen zu dürfen.
    * * *
    Erst am Abend kam Hero Dyk nach Hause. Seine Mutter erwartete ihn bereits. Die kleine schwarze Frau war ganz aufgeregt. »Komm«, sagte sie und zog ihn mit sich. »Hier ist jemand für dich.«
    In der Küche stand Lilly und ließ sich von Svetlana verwöhnen. Eine genesene, leidlich fröhliche Lilly, die Hero Dyk begrüßte
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