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Peterchens Mondfahrt

Titel: Peterchens Mondfahrt
Autoren: Gerdt von Bassewitz
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seit seine Frau tot war,
liebte er die
Einsamkeit.
    Da saß er in der Dämmerung, wenn er sich
satt gegessen hatte, auf
irgendeinem Zweiglein, geigte sehnsüchtige Liederchen an den
Mond und die große
Ballade vom sechsten Beinchen, das noch immer dort oben war. Manchmal
spielte er
sich auch ein lustiges Liedchen. Dazu tanzte er dann auf den
großen Kastanienblättern
herum. Das sah sehr komisch aus. Die anderen Maikäfer
veranstalteten
allabendlich ein großes Brummbaß- und Paukenkonzert
unter dem Baum. Herr
Sumsemann aber sagte regelmäßig ab, wenn sie ihn dazu
einluden, und das ärgerte
sie sehr. »Er ist hochnäsig«, sagten sie,
»seit er nicht mehr den Brummbaß,
sondern die Geige spielt.«
    Aber es war nur Neid von ihnen. Sie hatten nämlich
alle nur ihre Pauken und
dicken Brummbässe; er aber hatte eine kleine silberne Geige,
die funkelte wie
das Mondlicht und hatte einen Ton, so fein wie die winzigen, singenden
Mücken,
die in der Sonne tanzen. Diese Geige war ein altes
Familienerbstück. Einst
hatte ein Herr Sumsemann der Grille Zirpedirp, die auf der
Sternblumenwiese
wohnte, das Leben gerettet, als sie zu hoch auf einen Baum gestiegen
war und
einen Schwindelanfall bekam. Zum Dank für diese mutige Tat
hatte die Grille
ihrem Lebensretter die silberne Geige geschenkt. Die erbte seither im
Geschlechte der Sumsemanns immer der älteste Sohn, und sie
wurde hoch in Ehren
gehalten. So war nun der letzte Sumsemann auch der letzte Erbe. All
dies machte
ihn sehr stolz. Man kann es begreifen. Er führte ein bequemes
Leben, war dick
und vorsichtig und dachte immer daran, dass er sich nicht in Gefahr
bringen dürfe.
Nur manchmal, wenn der Abend gar so schön war, packte es ihn,
und er wurde
mutig. Dann trank er ein Vergißmeinnichtschnäpschen
nach dem anderen zur
Erinnerung an seine Frau - obwohl sie damit ganz gewiss nicht
einverstanden
gewesen wäre -, und in sehr angeregter Stimmung summte er in
Zickzacklinien
durch die Gärten. Er störte die Mücken bei
ihrem Abendtanz und die Leuchtkäfer
beim Versteckspielen. Er rempelte die Apfelblüten an, dass die
kleinen Marienkäferkinderchen
herauspurzelten, die da eben einschlafen wollten. Er zerriss der
schieläugigen
Spinne die Fangnetze und rannte ... bums! ... gegen alle Fenster, weil
er nicht
mehr genau unterscheiden konnte, ob ein Fenster offen oder geschlossen
war. Es
tat ihm aber nichts, denn er hatte einen sehr harten Schädel.
»Hoppla!« sagte
er meistens nur und flog weiter, von gewaltigem Tatendurst getrieben.
›Ein
Ritter bin ich‹, so dachte er, ›und der letzte
Sumsemann!‹

In der Kinderstube
    So war der letzte Sumsemann denn auch eines schönen
Abends in das Schlafzimmer
von Peterchen und Anneliese geraten, als die Kinder gerade von der
dicken Minna
zu Bett gebracht wurden.
    Peterchen hatte natürlich sein Gebrumm
gehört und wollte ihn greifen. Gut
war nur, dass Minna die Jagd nicht erlaubte, denn sonst wäre
Sumsemann
vielleicht in eine schlimme Lage geraten. Sie war wahrscheinlich
schwerhörig,
denn sie hatte gar nichts gehört und glaubte, dass Peterchen
ihr nur etwas
vormachen wolle, um im Hemdchen noch so »ein bissel«
im Zimmer herumzuturnen.
    Der Schreck war dem edlen Sumsemann aber doch
scheußlich in die Glieder
gefahren, und, trotzdem er gerade heute besonders viele
Vergißmeinnichtschnäpschen
getrunken hatte, war all sein Mut fort. Er lag oben auf der
Gardinenstange und
stellte sich tot. Dies ist ein altes und bewährtes Mittel bei
den Maikäfern,
in großen Gefahren. Derweil aber passte er genau auf, was im
Zimmer geschah.
Die Minna ging fort, als sie die Kinder ins Bettchen gepackt hatte, und
Peterchen unterhielt sich mit Anneliese natürlich gleich
über den Maikäfer.
Jetzt wurde es wieder gefährlich!
    Der Sumsemann bekam oben auf der Gardinenstange kolossales
Herzklopfen, als
Peterchen plötzlich leise aufstand, um ihn zu suchen, weil
Anneliese ein bissel
Angst hatte.
    ›Wer weiß, es hätte ihm doch ans
Leben gehen können; obwohl die Kinder
ja sonst gut waren. Aber man darf sich auf die Gutmütigkeit
der Menschen nicht
verlassen.‹ Dies wusste er aus seiner Familiengeschichte.
    Das Geschick war ihm aber günstig; denn, gerade als
Peterchen an der Gardine
war und die Gefahr am höchsten stieg, kam die Mutter herein.
Husch! wurde der
kleine Junge wieder ins Bettchen gesteckt; beide Kinder mussten die
Hände
falten und das
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