Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan
Autoren: James M. Barrie
Vom Netzwerk:
und gähnte dermaßen, daß die beiden anderen ebenfalls zu gähnen anfingen, und ehe sie den Mund wieder zukriegten, gingen alle drei aus.
    Jetzt war ein anderes Licht im Zimmer, tausendmal heller als die Nachtlichter, und in der Zeit, die wir brauchen, um davon zu erzählen, war es schon in allen Schubladen des Kinderzimmers gewesen, um Peters Schatten zu suchen, hatte den Kleiderschrank durch-stöbert und jede Tasche nach außen gekehrt. Es war kein richtiges Licht, es verbreitete dieses Licht, indem es schnell hin und her schoß, aber wenn es für eine Sekunde zur Ruhe kam – hast du gesehen: Es war eine Fee. Nicht größer als deine Hand, aber sie wuchs noch.
    Es war ein Mädchen, und sie hieß Tinker Bell, elegant gekleidet in ein geripptes Blatt; das war ordentlich tief ausgeschnitten, so daß ihre Figur bestens zur Geltung kam. Sie hatte allerdings ein bißchen Bauch.
    Kaum war die Fee hereingekommen, da ging das Fenster auf – die kleinen Sterne hatten es aufgepustet –, und Peter fiel ins Zimmer. Er hatte Tinker Bell einen Teil des Wegs getragen, und seine Hände waren noch voll von Feenstaub.
    »Tinker Bel «, rief er leise, nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Kinder schliefen, »Tink, wo bist du?« Sie war gerade in einem Krug, und das genoß sie sehr; sie war noch nie in einem Krug gewesen.
    »Los, komm her und sag mir, ob du weißt, wo sie meinen Schatten hingelegt haben.«
    Die lieblichsten Klänge, wie von goldenen Glöckchen, antworteten ihm. Das ist die Feensprache. Ihr gewöhnlichen Kinder könnt sie nicht hören, aber wenn ihr sie hören könntet, wüßtet ihr, daß ihr sie von früher her kennt.
    Tink sagte, daß sich der Schatten in der großen Kiste befände. Sie meinte die Kommode, und Peter sprang in die Schubladen und verstreute ihren Inhalt mit beiden Händen auf dem Boden – wie Könige Kleingeld unter die Menge streuen. Schnel fand er seinen Schatten, und in seiner Freude fiel ihm gar nicht auf, daß er Tinker Bell im Schubfach eingesperrt hatte.
    Wenn er überhaupt etwas dachte – aber ich glaube nicht, daß er je richtig gedacht hat –, dann dachte er, daß er und sein Schatten sich verbinden würden wie zwei Wassertropfen, die man zusammenbringt. Und als das nicht geschah, erschrak Peter sehr. Er holte Seife aus dem Bad und versuchte, ihn damit anzukleben, aber das ging auch nicht. Da fühlte er sich elend und setzte sich auf den Boden und heulte. Sein Schluchzen weckte Wendy, und sie richtete sich im Bett auf. Es erschreckte sie nicht, einen Fremden heulend auf dem Boden sitzen zu sehen, sie war eher angenehm überrascht.
    »Junge«, sagte sie höflich, »warum weinst du denn?«
    »Wie heißt du?« fragte er.
    »Wendy Moira Angela Darling«, sagte sie nicht ohne Stolz, »und wie heißt du?«
    »Peter Pan.«
    Klar, das mußte Peter sein. Aber so ein kurzer Name?
    »Ist das alles?«
    »Ja«, sagte er ziemlich spitz. Zum erstenmal hatte er das Gefühl, daß sein Name zu kurz war.
    »Entschuldigung«, sagte Wendy Moira Angela.
    »Macht nichts.« Peter schluckte.
    Sie fragte, wo er wohne.
    »Die zweite rechts«, sagte Peter, »und dann geradeaus bis morgen.«
    »Das ist eine komische Adresse!«
    Peter ging es gar nicht gut. Zum erstenmal hatte er das Gefühl, daß er vielleicht eine komische Adresse hätte.
    »Nein, ist sie nicht«, sagte er.
    »Ich meine«, sagte Wendy freundlich – sie dachte daran, daß sie die Gastgeberin war –, »schreibt man das auf die Briefe an dich?«
    Hätte sie bloß nicht von Briefen gesprochen!
    »Ich krieg keine Briefe«, sagte er verächtlich.
    »Aber deine Mutter kriegt Briefe?«
    »Ich hab keine Mutter«, sagte Peter. Er hatte auch nicht die leiseste Sehnsucht danach. Er hielt Mütter für sehr überschätzt.
    Aber Wendy hatte plötzlich das Gefühl, einer Tragödie beizuwohnen.
    »Ja, Peter, kein Wunder, daß du weinst.« Sie sprang aus dem Bett und lief zu ihm hin.
    »Ich habe nicht wegen meiner Mutter geweint«, erklärte er ziemlich empört. »Ich habe geweint, weil mein Schatten nicht hält. Außerdem habe ich gar nicht geweint.«
    »Ist er abgegangen?«
    »Ja.«
    Da sah Wendy den Schatten auf dem Boden, er sah so schmutzig aus, und Peter tat ihr schrecklich leid. »Wie furchtbar!« sagte sie, aber sie mußte lächeln, als sie sah, daß er versucht hatte, ihn mit Seife anzukleben.
    Zum Glück wußte sie sofort, was zu tun war. »Er muß angenäht werden«, sagte sie ein bißchen gönnerhaft.
    »Was heißt ›angenäht‹?« fragte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher