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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition)
Autoren: Oke Gaster
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sie sich wiederholt mit Axel stritt. Es war ein furchtbares Gelalle wenn Axel redete. Er hörte sich sogar dann an wie ein Besoffener, wenn er gar nicht besoffen war. Und Axel sagte viel wenn der Tag lang war. Zumindest zu Mutter, nicht zu ihm und auch nicht zu Nadja. Sie beide schienen ihn gar nicht weiter zu interessieren. David hatte mit Axel in der ganzen zeit vielleicht zehn Sätze gesprochen. Die Hälfte davon an Silvester, wo Axel mit draußen war zum abfeuern. Knallln wie er es in seinem Suffkopf nannte. Zumindest bis er irgendwann sogar zu stramm war, ein frohes neues Jahr zu wünschen. Da war Axel zum ersten und einzigen Mal richtig cool. Ansonsten war er einfach nur einer von vielen merkwürdigen Gestalten, die seine Mutter mit nach Hause brachte, in der ständig neuen ewigen Hoffnung, die Liebe fürs Leben gefunden zu haben. Manchmal hasste er sie für ihre Sprunghaftigkeit.
    Hatte sie einen Typen, dann war sie für ein paar Wochen richtig gut drauf. Hatte sie den Typen satt, ging es mit ihrer Stimmung rapide bergab und wenn sie sich wieder mal getrennt hatte oder verlassen wurde, spielte sie den sterbenden Schwan. Ihre Paraderolle, gewissermaßen!
    Sie bedauerte sich selbst mit einer so unverhohlenen Deutlichkeit, dass mitunter nur noch gefehlt hätte dass sie sagte: Guckt mich mal an, Leute, bin ich nicht bedauernswert? Nehmt mich mal in den Arm und sagt mir, dass ich die mit weitem Abstand bedauernswerteste Person auf diesem Planeten bin.
    Dies waren Momente, in denen fand er seine Mutter schlicht egoistisch. Sie hatte nur noch sich selbst und ihr grenzenloses Leiden im Kopf, während sie für den großen Rest, der um sie herum passierte, völlig blind wurde. David litt zwangsläufig mit, wenn seine Mutter an ihrem Leidensdruck zerbrach. Auf facettenreiche Weise, wohlgemerkt.
    Primär war stets ein Neid auf seine Mitschüler. Jeder von ihnen, ganz gleich ob Scheidungskind oder aus einer intakten Familie kommend, hatte stets eine Konstante in seinem Leben. Sie erlebten in den Ferien etwas, fuhren irgendwohin in den Urlaub, während er nie etwas berichten konnte. Die anderen Kinder bekamen regelmäßig neue Klamotten – er hingegen lief manchmal über Wochen oder gar Monate in kaputten Turnschuhen herum, weil seine Mutter wieder einmal kaum Geld zum Leben übrig hatte. Besonders schlimm war es immer, wenn es auf Klassenfahrten ging. Nur die Ausländerkinder, bei denen die Eltern vom Amt lebten, und seine Mutter brauchten Zuschüsse, damit er an diesen Fahrten teilnehmen konnte. Er kam sich nackt dabei vor. Nackt und bloßgestellt.
    Nichts anderes war es, wenn ein Klassenkamerad mit nach Hause kam und fragte, wo denn der Freund seiner Mutter sei, und er antworten musste, den hat sie nicht mehr oder sie hat schon einen neuen Freund, aber der arbeitet (im Gegensatz zu dem davor).
    Nein, etwas Konstantes hatte es in Davids Leben bisher nicht gegeben. Es gab nichts, auf dass er sich wirklich dauerhaft verlassen konnte, außer dass man sich besser nie zu sicher sein durfte, weil das nächste Unglück garantiert schon startklar war.
    Seine Mutter hatte es ihm so vorgelebt und den Preis dafür zahlte er bereits jetzt, auch wenn er es selbst gar nicht bemerkte. Er war ein gutaussehender junger Mann. Er hätte keinen Internetchat nötig gehabt, um eine Freundin zu finden. Er hingegen hatte nicht den Mut, in der realen Welt auf ein Mädchen zuzugehen, sich zu verabreden, weil er absolut an alles glaubte, außer an sich selbst.
    Die Tatsache, dass er Lena über jeden seiner Schritte via Internet in Kenntnis setzte, lag nicht darin begründet, dass er das persönliche Bedürfnis danach hatte, sondern weil er es als seine Pflicht ansah. Und Pflicht heißt Zwang. Er befürchtete, wenn sie nicht wusste, was er tat oder er mal einen Abend nicht online war, sie könnte das Interesse an seiner Person verlieren, sich einen anderen suchen, ihn einfach links liegen lassen und ignorieren. Und deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass das Ende dieser „Beziehung“ besiegelt war, wenn er heute nicht zu ihr kam. So simpel und einfach waren Davids Ansichten: Lena war die Königin, ihr Wort war Gesetz. Er wollte eine Beziehung mit ihr, also musste er darum kämpfen. Eine kräftezehrende, zermürbende Angelegenheit. Zuhause hatte er die Zelte abgebrochen, den größten Krieg seines Lebens heraufbeschworen, nur um das Versprechen eines Besuches einzuhalten, dass er einem Mädchen gemacht hatte, dass er nur virtuell
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