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Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Pendelverkehr: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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Hein?«
    Gudrun stopft dem Kind den herausgefallenen Schnuller wieder in den
Mund.
    »Bei seinen Trockenblumen. Ich habe ihm schon gesagt, dass du ihm
fürs Restaurant keine abholst. Mein Gott, Sie armer Mann«, wendet sie sich an
Hans-Peter, »sind Sie etwa in den Bunker gefallen? So etwas kann fürchterlich
ausgehen. Aber zum Glück scheinen Sie nicht verletzt zu sein. Geben Sie mir
Ihre Jacke, damit ich sie ausbürsten kann.« Ihr Lächeln wirkt auf mich ähnlich
süßlich verdorrt wie Heins elende Trockenblumen.
    Als er noch nicht mit Jupp zusammenwohnte, hatte er das Gestrüpp
genauso abgelehnt wie ich und es ihm austreiben wollen. Wie ihn Jupp dann dazu
gebracht hat, es nicht nur schön zu finden, sondern sogar selbst herzustellen,
gehört zu den unergründlichen Rätseln des Zusammenlebens. Wie auch die Frage,
weshalb er das Zeug nicht bei sich, sondern unbedingt hinter meinem Haus
anbauen wollte. Seine Antwort, dass es in meinem an das Bruchsteinhaus
angebauten Schuppen besser trocknen könne und keine langen Wege zurücklegen
solle, fand ich ebenso schräg wie seine ständig wechselnden Haarfarben und das
Faible für bunte Schuhe. Ich habe ihn machen lassen, mir aber nie zugemutet,
das Endprodukt anzusehen. Meine eigenen Küchenkräuter ziehe ich in meinem neu
angelegten Restaurantgarten mit Minitreibhaus. In das ich demnächst jene Pflänzchen
setzen werde, die mir die Igelfrau Cora aus Krewinkel in Aussicht gestellt hat.
Die wiederum eine andere Form des Zusammenlebens pflegt, mit vielen Menschen
auf recht eng begrenztem Raum.
    In meiner Jugend nannte man das Kommune, heute heißt das WG. In
Coras Fall alternative WG, kurzum Sekte, was den braven Bürger gruseln und
genau den Abstand halten lässt, den sich die Bewohner einer solchen WG von der
Konvention auch wünschen. Wie alle Menschen, die aus der Norm fallen. »Solange
er mich nicht anfasst …«, war der gängige Spruch der Herren in meiner
Redaktion, als sich bei uns der erste Schwule outete. Als ob der Typ jetzt
jeden Mann bespringen wollen würde. Dass man als Anderslebender eher
zurückhaltend ist und sich erlaubt, gerade besonders wählerisch zu sein, will
einem die Gesellschaft nicht zugestehen. Als extrem Übergewichtige weiß ich,
wovon ich spreche. Und wenn es sich nicht gerade um die Scientologen oder
Zeugen Jehovas handelt, sind nach meiner Erfahrung auch Mitglieder religiös
oder philosophisch abweichender Gruppierungen eher scheu, sich mitzuteilen oder
zu missionieren.
    Deshalb hatte es mich verblüfft und mir durchaus auch geschmeichelt,
wie offen sich Cora mir gegenüber verhalten hat und wie gastfreundlich ich in
dem Haus aufgenommen wurde, das ganz offensichtlich eine Kommune Anderslebender
mit buddhistischen Neigungen beherbergt. Das schloss ich aus den in vielen
Größen und aus vielen Materialien gefertigten herumstehenden lächelnden dicken
Sitzgöttern. Viel Rot, Gelb und Orange. Oberguru ist offensichtlich der blau gewandete
Victor, der Bart und Haare im Schritt zusammenflechten könnte, wenn ihm danach
der Sinn stände. Um ihn herum wuselten nur Frauen und Kinder, was mich sofort
an einen Harem mit angeschlossenem Kindergarten denken ließ. Allerdings kam mir
Cora nicht gerade wie eine Frau vor, die sich von einem Mann was sagen lassen
würde; sie wirkt sehr keck und selbstbewusst. Haremsdamen stelle ich mir
unterwürfiger vor, aber was weiß ich schon davon? Ich hatte mich nur ein paar
Stunden in diesem Haus aufgehalten, aber dem ersten Anschein nach schien
niemand gegen seinen Willen dort zu sein. Die Räume im Untergeschoss waren hell
und freundlich eingerichtet; alles wirkte sehr natürlich und fröhlich. Es wurde
viel gelacht. Auch als Victor der Einkehr eine
interessante Zukunft auspendelte. Die möglicherweise schon vor der Eröffnung
mit einem Paukenschlag begonnen hat und mich gar nicht beglückt.
    Ich hole tief Luft, springe auf und renne aus dem Haus zu meinem belgischen
Hof auf der anderen Straßenseite. Hans-Peter ist schon wieder hinter mir. Ohne
Jacke. Gudrun hat es tatsächlich geschafft, sich ein Stück Manneshülle zu erobern.
     
    »Hein, du musst sofort kommen!«, rufe ich, nachdem ich das
kleine Gatter zum hinteren Teil meines Grundstücks aufgestoßen habe. Erst sehe
ich nur einen großen blauen Müllsack. Und dann Hein, der uns entgeistert
anstarrt. Danach den grünen Strauch, den er in der Hand hält und der zu
ausladend ist, als dass er ihn hinter sich verstecken könnte. Was er dennoch
versucht.
    Das
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